Militäreinsatz forderte viel mehr Opfer

Auch Birmas Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi soll vor ihrer Verhaftung am Wochenende verletzt worden sein

BANGKOK taz ■ Die am vergangenen Wochenende erneut verhaftete birmanische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ist bei den vorangegangenen gewaltsamen Zusammenstößen offenbar doch verletzt worden. Die Friedensnobelpreisträgerin soll sich derzeit in einem Militärcamp 40 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Rangun befinden. Nach Augenzeugenberichten wurde Suu Kyi durch Splitter einer Autoscheibe im Gesicht und an der Schulter verwundet und blutete stark.

Bei den Auseinandersetzungen zwischen Anhängern ihrer Partei, der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) und Gefolgsleuten der Junta war Suu Kyis Auto beschossen worden. Die Junta hatte noch am Dienstag darauf beharrt, dass die NLD-Führerin „bei guter Gesundheit“ sei. Ihrem Arzt sowie ausländischen Diplomaten wurde der Zutritt zu ihr verweigert.

Zudem kamen bei den Gewalttaten am Wochenende im Norden Birmas möglicherweise bis zu 80 Menschen ums Leben, weit mehr als offiziell berichtet. Die Junta hatte angegeben, vier Menschen seien getötet und 50 weitere verletzt worden. Diese Zahlen seien „vollkommen jenseits der Wirklichkeit“, hieß es laut einer gut informierten Quelle, die sich auf Augenzeugen und prodemokratische Gruppen stützt. Birmas Vizeaußenminister Khin Maung Win hatte gegenüber ausländischen Diplomaten die NLD für die Gewalt verantwortlich gemacht.

Menschenrechtsorganisationen vermuten hingegen, dass Hardliner innerhalb der Junta die blutigen Unruhen provozierten. Die Nummer eins in der Militärhierarchie, General Than Shwe, finde offensichtlich, es sei an der Zeit, die Opposition ganz loszuwerden, zitiert die Nachrichtenagentur AP den US-amerikanischen Birma-Experten Josef Silverstein. Der Bangkoker Politikprofessor Chaiyachoke Chulasiriwong sieht den Drahtzieher in Maung Aye, dem zweiten Mann hinter Than Shwe.

Morgen soll der malaysische UN-Sondergesandte für Birma, Razali Ismail, in Rangun eintreffen. Derzeit ist allerdings unwahrscheinlich, dass er Zutritt zur inhaftierten Suu Kyi erhält. Als die Gewalttaten ausbrachen, hatte sich die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 auf einer Reise durch den Norden des Landes befunden, auf der sie wiederholt die Blockadepolitik der Junta gegenüber der Opposition anprangerte. NICOLA GLASS