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Archiv-Artikel

Klartext auf der Stromrechnung

Die Elektrizitätswerke müssen vom kommenden Jahr an auf ihrer Rechnung den gelieferten Strommix und die verursachten Umweltschäden aufschlüsseln, so sieht es eine neue Richtlinie der EU vor. Ökostromhändler hoffen auf neue Kunden

von BERNWARD JANZING

Rechnungen und Reklame von Stromversorgern werden bald viel gehaltvoller sein als heute: Künftig müssen sie ihren Strommix offen legen. Jeder Kunde sieht dann sofort, wie viel Geld er der Atomindustrie zahlt oder für klimaschädliche Kohle ausgibt.

Grund für die neue Offenheit ist eine Stromrichtlinie der EU, die vorgestern verabschiedet wurde und nächstes Jahr in Kraft treten soll. Dann wird die Stromrechnung aufschlüsseln müssen, welchen Anteil aus Atomkraft, Kohle, Gas oder erneuerbaren Energien der Lieferant im zurückliegenden Jahr verkauft hat.

Damit nicht genug: Auch die Umweltschäden, die der Strom angerichtet hat, müssen berichtet werden: Etwa die ausgestoßene Menge an Kohlendioxid oder an Atommüll, die pro Kilowattstunde entsteht. Die Details müssen die EU-Mitgliedsstaaten nun bei der Umsetzung der Direktive in nationales Recht regeln.

Das EU-Parlament hatte die Deklaration vorangetrieben – eine satte Mehrheit von drei Vierteln der Abgeordneten steht dahinter. Auch die EU-Kommission war sehr aufgeschlossen, allein der Ministerrat hatte das Anliegen lange verzögert.

Für den grünen Europa-Parlamentarier Claude Turmes, der die Federführung hatte, macht die Richtlinie fairen Wettbewerb erst möglich: „Man kann doch Wettbewerb nicht nur anhand des Preises führen“, sagt der Luxemburger, „der Kunde muss doch auch wissen, was er für sein Geld bekommt.“

Deswegen freuen sich die vor allem Ökostromanbieter über die Richtlinie: „Wir gehen davon aus, dass die Deklaration die Diskussion um den Strommix neu beleben wird“, sagt Robert Werner, Geschäftsführer von Greenpeace Energy. „Folglich werden die Ökostrom-Anbieter mit Sicherheit profitieren.“

Während Verbraucher- und Umweltverbände die Deklarationspflicht von Anfang an unterstützten, lehnte der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) sie lange ab. Angeblich, weil sie den Kunden „in keinster Weise Vorteile“ bringe. Kaum ist die Sache durch, kommen ganz andere Töne: „Eine Offenlegung des Strommixes ist sinnvoll, weil sie der Verbraucherinformation dient“, sagt heute VDEW-Sprecherin Patricia Nicolai.

Anfangs gab es Skepsis, ob die geforderte Transparenz nicht viel zu aufwändig ist. Doch in vielen Ländern wird sie schon praktiziert: In Österreich muss seit Oktober 2001 die Zusammensetzung des Stroms deklariert werden, und auch in den USA gibt es schon fast zwei Dutzend Staaten, die einen gläsernen Strommix vorschreiben.

Kritiker hatten zudem bemängelt, dass rein physikalisch der Strommix in der Steckdose eines Kunden gar nicht ermittelbar ist. Doch darum geht es bei dem Label gar nicht – was zählt, sind die Bezugsquellen des Verkäufers. Daher muss jedes Unternehmen künftig darlegen, woher es seinen Strom bezieht. Bei bilateralen Handelsverträgen zwischen Erzeugern und Verkäufern ist das sehr einfach nachvollziehbar. Kaum lösbar hingegen ist das Problem beim Einkauf über die Strombörse. Deshalb setzt man in diesem Fall ganz pragmatisch den so genannten Ucte-Mix an, also den Durchschnitt im europäischen Verbundnetz.

Um Manipulationsmöglichkeiten auszuschalten, wird jedes Unternehmen einen firmenspezifischen Mix angeben müssen. Ausgeschlossen sind damit Marketinggags, wie sie mit viel Werbeaufwand im vergangenen Jahr E.ON unter der Marke „Mix-Power“ praktizierte, wo jeder seinen persönlichen Mix zusammenstellen konnte – zumindest auf dem Papier. Künftig bekommt jeder Kunde schlicht den einheitlichen Gesamtmix der Firma ausgewiesen – ansonsten wäre eine korrekte Kontrolle ohnehin kaum möglich.