press-schlag : Der Exminister will den Metzger aus dem Amt wursteln
Der heillos zerstrittene TSV 1860 München darf sich zur niveaulosesten Trainerentlassung der Bundesligageschichte beglückwünschen
Herzlichen Glückwunsch, der TSV 1860 München kann seiner Bilanz nach der Deutschen Meisterschaft 1965/1966 und dem Gewinn des Hallen Masters 1996 einen neuen Titel hinzufügen: den weißwurstgrauen Schleudersitz für die niveauärmste Trainerentlassung in der Geschichte der Bundesliga. Als Falko Götz nach dem 1:2 gegen den HSV von einem Reporter des Bayerischen Fernsehens erfahren hatte, dass Vizepräsident Hans Zehetmair soeben vor laufenden Kameras seine Entlassung verkündet hatte, reagierte Götz gelassen: „Ach so. Das ist ja schön. Ist ja wunderbar, wenn sie schon einen Neuen haben“, sagte Götz, und er schien fast erleichtert, den Tratsch- und Schieberverein München von 1860 verlassen zu dürfen.
Auf seinem Rücken wurde nach dem Rücktritt von Karl-Heinz Wildmoser ein Machtkampf ausgetragen, der gestern seinen Höhepunkt erreichte. Auf die Diktatur war das Chaos gefolgt, der von Wildmoser ins Präsidentenamt gehievte Wurstwarenfabrikant Karl Auer sah sich ständigem Beschuss durch Vize Zehetmair ausgesetzt. Zehetmair ist kein Metzger, aber CSU-Politiker, ehemaliger Staatsminister sogar, was offenbar noch viel schlimmer ist. Schon unter der Woche hatte Zehetmair dem Coach nach einer Vorstandssitzung ein Ultimatum ausgesprochen, das der Darstellung Auers widersprach. „Götz bleibt bis in alle Ewigkeit“, sagte Auer hinterher trotzig. Und nachdem Zehetmair die Götz-Entlassung verkündet hatte und Auer kleinlaut hinterhergezogen war, meinte er: „Der Herr Zehetmair ist ein erwachsener Mensch, als ehemaliger Politiker muss er wissen, wie er sich äußert.“ Auer drohte, da er sich ständig unter Beschuss befinde, mit Rücktritt.
Damit hätte Zehetmair erreicht, was er vermutlich die ganze Zeit bezweckte: den strategisch unterlegenen Metzger aus dem Amt zu wursteln. Karl Auer, die Fans nennen ihn Kalauer, hatte eine ganz schwache Vorstellung im Stil von Peter Steiners Theaterstadl gegeben und sagte hinterher: „Wir sollten das Ganze nicht ins Lächerliche ziehen. Bitte.“ Seine Position ist gestern noch schwächer geworden. Am 27. April tagt der Aufsichtsrat, in dem Auer offenbar weniger Gefährten hat als die Opposition um Zehetmair. Dann könnte seine Amtszeit schon zu Ende sein.
Niveaulos ist vor allem, dass Zehetmair Falko Götz als Marionette für den Machtkampf benutzte. Die andere Version: Vielleicht war es ja auch so, dass Zehetmair wirklich beauftragt war, die Entlassung zu verkünden, wie er behauptet hat. Und Auer und Sportdirektor Dirk Dufner („Ich habe mich selten so geschämt wie gestern“) gaben nur vor, sie hätten von nichts gewusst, um Zehetmair als Nestbeschmutzer darzustellen, der das Ansehen des ehrenwerten Klubs ramponiert hat. Dafür scheinen Auers darstellerische Fähigkeiten eigentlich zu begrenzt, aber bei 1860 ist zurzeit offenbar alles möglich. MARKUS SCHÄFLEIN