: Was bleibt, wenn der linke Rand ausfranst?
Die sächsische SPD hat den Kommunal-Abweichler Sieghard Bender ausgeschlossen – obwohl er bei der anstehenden Landtagswahl kaum gefährlich geworden wäre. Grund der Nervosität: Der Partei droht ein einstelliges Wahlergebnis
DRESDEN taz ■ Seit Mitte voriger Woche hat die Sozialdemokratie in Sachsen ihren ersten spektakulären Parteiausschluss. Der Chemnitzer IG-Metall-Chef Sieghard Bender hatte schon im November eine kommunale Wahlinitiative namens „Perspektive“ ins Leben gerufen, um Nichtwählern und Rot-Grün-Frustrierten zur bevorstehenden Kommunalwahl im Juni wieder eine Perspektive zu geben. Erst im Zuge der Diskussion um eine neue Linkspartei registrierte die Landes-SPD den Abweichler, der eigentlich nur auf der kommunalen Ebene agiert, als potenziellen Konkurrenten. Bender ließ vor Ostern eine Frist verstreichen, dann schlug das Parteistatut zu.
In Sachsen gibt es besonderen Grund für solche Empfindlichkeiten der SPD gegenüber Renegaten. Wenn Bender verbittert der Landesvorsitzenden Constanze Krehl und der Führungsriege unterstellt: „Die wollen doch nur Mandate“, weiß er auch, dass davon in Sachsen nicht allzu viele zu vergeben sind. Bei der Landtagswahl 1999 bekam die SPD ganze 10,7 Prozent der Stimmen. Für die im September dieses Jahres anstehende Wahl sollte Strahlemann Wolfgang Tiefensee, der Leipziger Oberbürgermeister, das Zugpferd geben. Doch der sagte ab. Krehl und Landtagsfraktionschef Thomas Jurk einigten sich schließlich auf ein Tandem, auf dem beide vorn sitzen, aber keiner so richtig treten will.
Die Reaktionen auf die Agenda 2010 kommen der sächsischen Diaspora-SPD also besonders ungelegen. Verhindern können sie diese nicht. Denn „es gibt links von der SPD inzwischen ein Vakuum, das auch die PDS nicht füllt“, konstatiert der ehemalige Leipziger Universitätsrektor Cornelius Weiss. Die PDS ist für viele Sozialdemokraten historisch diskreditiert und damit unwählbar. Anderen Linken sehen die Sozialisten dort, wo sie wirklich Regierungsverantwortung tragen, bereits zu weit in der Mitte agieren und deshalb nicht als Träger ihrer Anliegen geeignet. Deshalb ließ der DGB-Landeschef Hanjo Lucassen bereits vor Ostern den Testballon „Sächsischen Arbeiterpartei“ steigen. Doch dem Aufruf mochte keiner seiner SPD-Genossen in der Landtagsfraktion folgen.
Benders Chemnitzer „Perspektive“ sieht sich dagegen zu Unrecht verfemt. Es handele sich schließlich nur um ein kommunales Wahlbündnis, das nicht auf der Landesebene antrete. In Baden-Württemberg, woher er stammt, sei das gang und gäbe. Bender glaubt an die Veränderbarkeit der SPD, deren Mitglied er seit 33 Jahren ist. Deshalb will er mit allen Rechtsmitteln gegen seinen Ausschluss kämpfen.
Der offizielle sächsische Ableger der „Initiative“, der sich vor allem in Leipzig formiert, besteht wiederum kaum aus SPD-Überläufern. Sozialromantiker finden sich hier neben politisch erfahrenen Leuten wie dem ehemaligen Mitarbeiter der bündnisgrünen Landtagsfraktion Thomas Rudolph. Er trat in der ersten Legislatur mit Recherchen zu Stasi-Verbrechen hervor. Diese Initiative droht vorerst nur mit einer Parteigründung, um den Druck auf die SPD zu erhöhen. Auch wenn sie deshalb zur sächsischen Landtagswahl keine unmittelbare Gefahr darstellen dürfte, wird mit dem Ausfransen der SPD am sozial orientierten Rand ein Bruch der absoluten CDU-Mehrheit im Herbst noch unwahrscheinlicher.
Während der PDS-Bundesvorsitzende Lothar Bisky nach wie vor Gelassenheit zeigt, konterte Sachsens PDS-Landtagsfraktionschef Peter Porsch deshalb folgerichtig: „Sachsen braucht nicht mehr linke Parteien, sondern mehr linke Wähler!“ Die rebellische „Jugendbrigade“ der Landes-PDS, der Liebäugelei mit der neuen Phantom-Partei nachgesagt wurde, denkt jedenfalls nicht daran, die PDS zu verlassen. „Wir wollen nur mit und in der PDS etwas verändern“, sagt die stellvertretende Bundesvorsitzende Katja Kipping.
MICHAEL BARTSCH