: Haushalt mit diversen Luftbuchungen
Parlamentarier sollen in zwei Wochen über Haushalt beraten – nur: sie kennen ihn noch gar nicht
Bremen taz ■ Am 4. Mai soll die erste Lesung des Doppelhaushaltes 2004/2005 in der Bremischen Bürgerschaft stattfinden, bisher haben die Abgeordneten allerdings noch keinen Haushaltsentwurf in die Hand bekommen. Auch der Haushaltsausschuss wartet gespannt darauf, was ihm denn vorgelegt werden soll – erst am kommenden Dienstag will der Senat sich mit dem Haushaltsentwurf befassen. „Das ist eine Dreistigkeit“, beschwert sich die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, die Grüne Karoline Linnert. Eine ordentliche Vorbereitung der parlamentarischen Beratung werde unmöglich gemacht.
Ende Juni soll nach dem Fahrplan des Senats der Doppelhaushalt endgültig in dritter Lesung verabschiedet werden. Nach dem bisherigen Stand der Diskussion werden darin 500 Millionen Euro „Einnahmen“ mit Hinweis auf den Kanzlerbrief stehen. Der verabschiedete Haushalt sei eben nur ein Plan, heißt es dazu aus dem Finanzressort. Erst wenn definitiv klar sei, dass es diese „Einnahmen“ in der Form nicht geben wird, müsse das Ressort einen „Nachtragshaushalt“ vorlegen.
Zu konkreten Gesprächen über die Bremer Forderungen haben sich erst in den letzten Tagen erstmals Experten aus Bremen mit einem Vertreter des Kanzleramtes und der parlamentarischen Staatssekretärin Barbara Hendricks zusammengesetzt. Hendricks hatte im August 2003 die Antwort der Bundesregierung zum Thema Kanzlerbrief im Bundestag vorgetragen, in der es heißt: „Die Sanierung des Bremer Haushaltes (...) wird im Jahre 2004 abgeschlossen sein.“ Insgesamt würden 8,5 Milliarden Euro nach Bremen fließen. Eine Fortsetzung „kommt nicht in Betracht“.
Über die aktuellen Gespräche mit den Vertretern der Bundesregierung wird strengstes Stillschweigen bewahrt. Niemand geht davon aus, dass bis Ende Juni irgend ein vorzeigbares Ergebnis erzielt wird. Selbst wenn die Bundesregierung gegen die Blockade aus dem Finanzministerium geneigt wäre, Bremen einen Teil der geforderten Summe zukommen zu lassen, müsste das auf eine Weise geschehen, die andere Bundesländer nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung interpretieren können. Dass die volle Bremer Forderung erfüllt und damit der Haushaltsplan verfassungskonform wird, scheint derzeit vollkommen unrealistisch.
„Der Haushaltsentwurf wird das Papier nicht wert sein, auf dem er geschrieben ist“, sagt Linnert deswegen. In der bremischen Politik gehe es derzeit nur noch darum, wer als erster sagt: „Der Kaiser ist nackt.“ Die Einnahmen aus dem Kanzlerbrief seien zudem nicht die einzigen „Luftbuchungen“. Über neue GmbHs sollen derzeit neue Möglichkeiten geschaffen werden, in deutlichem Verstoß gegen Haushaltsrecht laufende Ausgaben zu „Investitionen“ umzudeuten, um konsumtive Ausgaben so über Neuverschuldung zu finanzieren. Und beim Sozialetat deutet sich an, das der erst vor vier Wochen nachgebesserte Etatrahmen auch nicht ausreichen wird.
Völlig offen ist derweil, ob der Senat am Dienstag einen Überblick bekommen wird über den Investitionsspielraum bis 2014. Nach einer vorläufigen Übersicht ist das Geld zumindest bis 2010 weitgehend ausgegeben oder fest verplant, so dass jede neue Investition in die kommunale Infrastruktur derzeit im Vorgriff auf die Investitionsquote aus den Jahren 2011 bis 2014 passieren muss. kawe