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Archiv-Artikel

NIEDRIGLÖHNE/KONJUNKTUR: MIT MINIJOBS LÄSST SICH VIEL ANSTELLEN Griff in die Trickkiste

In der Psychologie gibt es den Trick der „Umdeutung“, um sich unangenehme Situationen schönzureden. Er besteht darin, einfach die Perspektive zu wechseln, und Simsalabim! sieht alles plötzlich freundlicher aus. Mit einem solchen Trick wird demnächst vielleicht auch in der Beschäftigungspolitik gezaubert.

Aus dem Frühjahrsgutachten der großen Wirtschaftsforschungsinstitute geht hervor, dass das Wachstum auch im kommenden Jahr zu schwach sein wird, um neue Vollzeitjobs zu schaffen. In den vergangenen Monaten aber entstanden Millionen von Minijobs neu. Das Reservoir scheint noch enorm zu sein. Was wäre nun, wenn man hunderttausenden von Arbeitslosen solche Minijobs anbieten würde? Vielleicht sogar mit Zwang? Wenn nicht mehr nur Rentner, StudentInnen und Hausfrauen an Supermarktkassen, in Putzkolonnen und in der Zeitungszustellung arbeiten, sondern Arbeitslose? Wenn man dann diese Erwerbslosen gar nicht mehr als arbeitslos registrieren, sondern die ganze Sache Richtung Beschäftigungsschub umdeuten würde? Es handelte sich dann um Niedrigverdiener, die gewissermaßen vom Arbeitsamt eine Gehaltsaufstockung und die Sozialversicherung beziehen. Und, Simsalabim!, schon sänke die Zahl der Arbeitslosen gewaltig.

Die Neuregelungen zum Arbeitslosengeld II geben vielleicht einen Hinweis, wohin die Reise geht. Ab 2005 muss ein Langzeitarbeitsloser auch einen Minijob annehmen. Von dem Verdienst in Höhe von 400 Euro darf er 60 Euro behalten, der Rest wird auf die Sozialleistung angerechnet. Die Arbeitsämter werden durch diese Anrechnung enorm viel Geld sparen. Eine völlig unsoziale Ausbeutung der Erwerbslosen? Nein: Schließlich muss ein Minijobber bei einem Stundenlohn von acht Euro nur rund zwölf Stunden in der Woche arbeiten, um dann, mit Hinzuverdienst und Arbeitslosengeld II, auf ein Gesamteinkommen von etwa 700 Euro netto zu kommen. Das ist bisher nur ein Gedankenspiel. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zukunft in genau diesen Konstruktionen liegt. BARBARA DRIBBUSCH