: berliner szenen Im Quartier 206
Lässiger Louie Austen
Louie Austen alias Alois Luef ist ein lässiger älterer Herr, der 1978 nach einer klassischen Ausbildung am Wiener Konservatorium nach Amerika ging, um Karriere als Sänger zu machen. Sein großes Vorbild war Dean Martin, doch die meiste Zeit sang er in Hotelbars. Zwanzig Jahre später unterlegten zwei Wiener Produzenten seinen geschmeidigen Gesang mit elektronischer Tanzmusik, und Louie Austen kam zu spätem Ruhm. Vor der offiziellen Record-Release Party der dritten Platte gab es nun einen Piano-unterstützen Auftritt im Quartier 206. Hier ist die Friedrichstraße so schick, wie sie mal werden wollte. Entsprechend leer sind Geschäfte und Flure, in der Sessel-Lounge mit Cafébetrieb sitzen journalistisches Jungvolk und am Nebentisch ein älteres Paar – vielleicht aus Zehlendorf, vielleicht von weiter her. Louie Austen trägt einen weißen Anzug und singt gekonnt vom Barhocker herunter. Der Mann am Nachbartisch schaut trotzdem dauernd auf die Uhr. Austen behält die Sonnenbrille auf, obwohl das Atrium alles andere als sonnendurchflutet ist. Vielleicht befürchtet er, dass die Frau des Ungeduldigen sonst völlig in seinen Bann geraten würde. Angetan ist sie. Plötzlich kniet Austen neben ihrem Sessel und überreicht der Dame ihr Armband, das auf den Boden gefallen war. Jetzt können die beiden wirklich nicht mehr gehen. Der Mann gibt klein bei, nimmt seine Kamera aus der Tasche und macht viele Fotos. Als sie sich im letzten Drittel des Sets doch davonstehlen, ist das Atrium gefüllt mit Menschen, die leicht entrückt zuhören, wie Louie Austen von Liebe und Herzschmerz singt. Dass der charmante crooner einfach sein Ding machte und dann spät zu Ehren kam, scheint auch jene zu trösten, die seine Biografie nicht kennen. STEPHANIE GRIMM