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Archiv-Artikel

Wir werden ihn vermissen

Der letzte Vertreter des Frontstadt-Journalismus, Georg Gafron, wird als Chefredakteur der „B.Z.“ abgelöst. Er darf künftig Kolumnen schreiben und einer nicht journalistischen Tätigkeit nachgehen. Ist bei Springer kein Platz mehr für Ideologen?

von HEIKO DILK

Man muss das ja immer wieder erklären. Und man tut es gerne – wenn auch mit einer gewissen Abscheu. Denn wo hat man im Boulevard-Journalismus schon noch Front-Ideologen vom alten Schlag. Georg Gafron war so einer. Bei ihm hieß die Berliner Regierungskoalition „rot-dunkelroter Senat“ und die PDS war die „SED-Nachfolgepartei“. Und er war ein echter Mann, der mit seiner Frau feste Telefonzeiten hatte. Für die B.Z. hatte er etwas mehr Zeit. Bei seinem Amtsantritt bezeichnete er sie als „schöne Frau, die morgens unbekleidet auf dem Bett liegt und angezogen werden will“.

Ab dem 1. August wird ein anderer der B.Z. und der B.Z. am Sonntag in den Fummel helfen. Florian von Heintze, der zurzeit Chefredakteur der Springer-TV-Zeitschriften TV neu, BildWoche und Funk Uhr ist.

Georg Gafron hatte bis zum April 2002 auch noch mehrere Medien, die es mit stramm konservativer Ideologie zu füllen galt. Er war Geschäftsführer des Berliner Radiosenders Hundert,6 und des Ballungsraumfernsehens TV.Berlin. Als Hundert,6 und TV.Berlin wegen der Kirch-Pleite in Bedrängnis gerieten, gab Gafron die Geschäftsführung auf. Dass er nun auch den Chefredakteursposten bei der B.Z. niederlegen wird, ließ der Springer Verlag am Freitagabend um 19.07 Uhr per Fax an die Redaktionen übermitteln. Bis dahin war nichts durchgesickert.

Mit Gafrons Ablösung keimt die Hoffnung, dass Springer zu einem ganz normalen Verlag werden könnte. Womöglich wird dort bald statt ideologischem in erster Linie professioneller Journalismus gemacht – womöglich.

Immerhin sah sich der Gesamtbetriebsrat im April schon genötigt, einen Brief an den Vorstand und die Chefredakteure zu schreiben. Sie sollen endlich für eine „ausgewogene Berichterstattung“ über den Irakkrieg sorgen. Von „Populismus schlimmster Art“ war da die Rede, von der kritiklosen Übernahme der amerikanisch-britischen Regierungslinie.

Erkenntnisgewinn?

In diesem empörten Schreiben tauchte auch eine Schlagzeile aus Gafrons B.Z. auf: „Saddam, verpiss dich!“ lautete die. Man könnte, nun da Gafron, der Oberideologe gehen muss, beinahe glauben, dass bei Springer die Erkenntnis reift, dass es auf Dauer schwierig ist, in seinen Blättern Politik gegen die eigenen Angestellten zu machen. In dem Brief der Betriebsräte wurde außerdem die Vermutung geäußert, dass die „wirtschaftlichen Probleme unserer Zeitungen“ auch mit „politischen Inhalten und der Art und Weise, wie Meinung verbreitet wird, zusammenhängen“. Die Auflage der B.Z. war unter Gafron immerhin um rund 50.000 Exemplare auf 227.000 zurückgegangen.

Gafrons Ablösung hat laut einer Springer-Sprecherin allerdings nichts mit seiner Art und Weise, Meinung zu machen, zu tun. „Hätten wir Kritik an Gafron und an seiner journalistischen Leistung gehabt, würden wir ihn nicht mehr als Kolumnisten einsetzen“, sagte sie der taz. Gafron wird nämlich zukünftig eine tägliche Kolumne in der B.Z. bekommen. Ob Springer allerdings Oskar Lafontaine als Chefredakteur beschäftigen würde, darf man wohl trotzdem bezweifeln. Der schreibt ja auch eine Kolumne. Für Bild mit dem Titel „Mein Herz schlägt links“.

Gafron soll bei Springer aber auch noch eine weitere Aufgabe übernehmen, allerdings „keine journalistische“, wie die Sprecherin sagte.

Die Redakteure der B.Z. dürften darüber wohl erleichtert sein. Im März verunglimpfte er sie auf einer Betriebsversammlung recht nachhaltig, indem er sie mit der irakischen Baath-Partei verglich. Per E-Mail gab er sich später – für seine Verhältnisse – überaus zerknirscht: Die „Gleichsetzung der Anwesenden mit der irakischen Baath-Partei“ sei nicht seine Absicht gewesen. „Sollte dieser Eindruck entstanden sein, bitte ich um Entschuldigung.“

Ob mit seinem Nachfolger von Heintze allerdings harmonischere Zeiten bei der B.Z. anbrechen, muss man abwarten. In der Redaktion seiner TV-Zeitschriften dürfte man nämlich auch nicht allzu traurig über von Heintzes Weggang sein. Gerüchteweise war er nämlich mal für die BamS als Chefredakteur im Gespräch. Daraus wurde dann doch nichts. Angeblich wegen mangelnder sozialer Kompetenz. Für die B.Z. reicht es offenbar.