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Archiv-Artikel

Freunde, Feinde, Kollegen

Beim Kolbenringhersteller Federal Mogul ist der Arbeitskampf gescheitert. Streikende und Streikbrecher nähern sich wieder vorsichtig einander an

„Am Schluss bekomme ich mein Geld von der Firma und nicht von der IG Metall“

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Man grüßt einander wieder. Sogar den Betriebsrat. Das Klima beim Dresdner Kolbenringhersteller Federal Mogul scheint unkaputtbar, hier, wo schon seit DDR-Zeiten ganze Familien in einem Werk zusammenarbeiten und die Chefs einst selbst zu den Kollegen im Blaumann gehörten. Aber über ein „Guten Tag“ oder ein „Auf Wiedersehen“ geht es vorerst kaum hinaus. „Die Art des Umgangs hängt vom Demokratieverständnis und vom Bildungsstand ab“, meint Betriebsratsmitglied Steffen Wenzel.

Vor genau einer Woche standen sie sich noch gegenüber: Etwa zehn Prozent der Belegschaft vor dem Werkstor, im Streik, die Mehrheit teils per Hubschrauber an die Arbeitsplätze eingeflogen. Trotz eines deutlichen Votums der Belegschaft gegen den Streik um die 35-Stunden-Woche hatte ihn die IG Metall ausgerufen. Die Firmenleitung war Anfang Juni aus dem Arbeitgeberverband VSME ausgetreten. Von beiden Seiten schien die Konfrontation gewollt und logistisch gut vorbereitet. „Das war ein Machtkampf, in den wir nicht hineingezogen werden wollten“, lautet die am häufigsten zu hörende Einschätzung in der Werkshalle. Ebenso klar wird von einer Niederlage der IG Metall gesprochen. Der Streik lief ins Leere. Welche Folgen aber hat diese Niederlage?

Als Gewerkschafterin und Vertrauensfrau stand Kathrin Lohse draußen und blockierte mit das Werkstor. „Ich wäre vielleicht auch dringeblieben, wenn ich nur an meinen Arbeitsplatz gedacht hätte“, gesteht sie. Viele seien auch verwirrt gewesen, ob es um die 35 Stunden oder um den Haustarif ging. Die Spaltung der Belegschaft sei aber reparabel. Zwei Tage „draußen“ war auch Sylvio Sende, ehe er sich entschloss, nach einem Anruf seines Meisters doch an die Maschine zurückzukehren. Die angedrohte Streikverlängerung wollte er nicht mehr mitmachen. „Angefeindet wird man nicht. Es geht eher sachlich zu.“ Eine 50-jährige Arbeiterin konstatiert allerdings einen sehr sachlichen Umgangston untereinander. Sie würde aus Überzeugung wieder am Arbeitsplatz bleiben – um ihn nicht zu gefährden. Von der Gewerkschaft fühlt sie sich schlicht bevormundet.

„Standortsicherung statt ein paar Euro mehr“ lautet der Grundsatz von Peter Arnold. Er fühle sich als Ostler nicht als Arbeitnehmer zweiter Klasse. „Da ist mir das Hemd näher als der Rock“, antwortet er auf die Frage nach den übergreifenden Zielen der Gewerkschaft. Sylvia Baumgarten am benachbarten Arbeitsplatz nickt. Beide sind in diesen Tagen ausgetreten. „Am Schluss bekomme ich mein Geld von der Firma und nicht von der IG Metall“, sagt Arnold.

Vertrauensfrau Kathrin Lohse weiß zwar auch von einigen Eintritten. Beim Druckmaschinenhersteller Planeta im benachbarten Radebeul soll es gar zu Masseneintritten gekommen sein, als es auf die Haustarifverhandlungen zuging. Aber bei Federal Mogul wiegt fast jeder bedächtig den Kopf, wenn es um das künftige Gewicht der ehemals 70 Prozent Gewerkschaftsmitglieder geht. Steffen Wenzel sagt gar nichts, sondern zeigt nur mit dem Daumen nach unten. Er ist nach 25 Jahren Mitgliedschaft ausgetreten.

Betriebsratsvorsitzender René Vits und sein Stellvertreter Andreas Hofmann gehörten zur Streikleitung. Vits hat sich wegen Herzbeschwerden zunächst krankgemeldet. „Das kommt, wenn man sich eine Sache so sehr zu Herzen nimmt“, scherzt er. Schon kursieren Unterschriftslisten, die seine Abwahl fordern, weil er nicht die Belegschaftsmehrheit vertreten habe. Auch dafür hat der Mann Verständnis. Er sagt nicht wörtlich, dass die Kollegen verwöhnt seien. Aber die übertariflichen Leistungen im Betrieb seien ihnen bislang kampflos zugefallen.

In der Tat ist fast jeder Befragte im Betrieb überzeugt, dass dies mit dem jetzt auszuhandelnden Haustarif so weitergeht. Dass damit mittelfristig auch eine Rutschbahn betreten werden könnte, wird verdrängt. Das Hemd, siehe oben, bleibt eben näher als der Rock.