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Archiv-Artikel

PDS schmust wieder herum

Nur sechs Wochen nach der Watsche bei den Studienkonten nickt die PDS-Basis eine Halbzeitbilanz ihrer Spitze ab. Der Parteitag war zugleich Start für eine stärkere Rolle von Wirtschaftssenator Wolf

von STEFAN ALBERTI

Erst Abwatschen, dann Schmusekurs. Mit deutlicher Mehrheit hat die PDS-Basis am Sonntag ein Resümee der ersten zweieinhalb Jahre im Senat abgesegnet. Weniger als zehn der rund 110 Delegierten lehnten beim Landesparteitag die Halbzeitbilanz ab, die Parteichef Stefan Liebich „unterm Strich positiv“ nannte. Noch Anfang April hatte die Partei Wissenschaftssenator Thomas Flierl mit seinem von Liebich gestützten Studienkonten-Modell durchfallen lassen.

Sechs Wochen sind eine lange Zeit in der Politik. Zeit genug festzustellen, wie sehr das Abwatschen nicht nur Flierl, sondern der gesamten Partei geschadet haben könnte. Auffallend zahm gaben sich jedenfalls die Delegierten. Ein Vertreter des Parteinachwuchses versprach gar, „künftig mehr die SPD zu ärgern als die PDS“. Sicher, da waren die üblichen Verdächtigen um Ellen Brombacher und ihre Kommunistische Plattform. Und deren Genosse Tilmann Bürckstürmer fragte, ob man zu jeder Schweinerei bereit sei, nur damit die (Landes-)Kasse stimmt. Doch auch er war weit entfernt, ein Ende der Koalition zu fordern.

So war etwas anderes auffällig beim Parteitreffen im Lichtenberger Tierparkhotel. Nicht dass die anderen beiden Senatsmitglieder – Flierl und Heidi Knake-Werner – nicht geredet hätten. Aber Wirtschaftssenator Harald Wolf erhielt für seine Rede einen eigenen Tagesordnungspunkt und mehr Zeit als jeder andere.

Das ist offenbar Ausdruck einer neuen Strategie der PDS. Ihr ist klar geworden, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung von Rot-Rot kein Gesicht hat. Der Senat, das ist weithin nur SPD-Mann Klaus Wowereit, vielleicht noch sein Finanzsenator Thilo Sarrazin. Flierl, Knake-Werner und Wolf kommen allein als Fachsenatoren vor.

Zu wenig, meinen die PDS-Strategen mit Blick auf die nächste Abgeordnetenhauswahl 2006. Vor allem, weil das schon mal anders war. Zum Start vor zweieinviertel Jahren lief die rot-rote Koalition als „der Wowereit-Gysi-Senat“. Das ist seit Rücktritt von Gysi im Sommer 2002 vorbei. Virtuell war der gestern dabei, weil während des Parteitags seine erneuten Herzbeschwerden bekannt wurden. Von Wolf als Spitzenkandidaten für 2006 zu reden sei verfrüht, hieß es. Doch hat die Partei wenig Alternativen. Landes- und Fraktionschef Liebich gilt mit derzeit 31 Jahren als dafür zu jung.

Von einer Arbeitsteilung an der Senatsspitze ist die Rede. Wowereit solle den Strahlemann geben, Wolf den harten Arbeiter symbolisieren. Bislang habe er sich noch aufs Wirtschaftsressort konzentrieren müssen, „jetzt hat er seinen Rhythmus gefunden“, nun habe er freie Kapazitäten dazu.

Wolfs konkrete „Perspektiven für Berlin“ – mit diesem Titel angekündigt – kamen allerdings nicht über einzelne Vorschläge wie einer Vorreiterrolle nach der EU-Osterweiterung hinaus. Generell forderte Wolf eine Umgestaltung. Dazu reiche Wowereits Wort vom Mentalitätswechsel nicht aus: „Es geht um nicht mehr und nicht weniger als Glasnost und Perestroika für Berlin.“