: Sportlich bremsender Tanker
Schulsport contra Lehrerarbeitszeit, fraglicher Marktwert oder knirschende Zahnräder, Konzepte und Detailarbeit: Podiumsdiskussion über „Leistungssport in Hamburg“ nach der gescheiterten Olympia-Bewerbung im Völkerkundemuseum
von JÖRG FEYER
Und dann, als das Podium im Hörsaal des Völkerkundemuseums die Diskussion längst auch für das überschaubare Auditorium geöffnet hatte, kam sie doch noch, die maritime Metapher. Da verglich Günter Quast den Hamburger Sport mit einem Riesentanker, der mit 15 Knoten Geschwindigkeit unterwegs ist. Und der, so der Vorsitzende des Ausschusses Leistungssport im Hamburger Sportbund (HSB), brauche nun mal „15 Kilometer, um überhaupt anzuhalten, und weitere fünf, um zu wenden“.
Ob die Stadt noch in der ersten Phase steckt oder vielleicht doch schon auf dem Törn von der lange anerkannten Breitensportmetropole zum aufstrebenden Leistungssportzentrum ist, das blieb unklar, als VertreterInnen aus Sport, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft die „Probleme – Projekte – Prognosen“ nach dem Olympiaentscheid diskutierten. Fest steht nur, dass die gescheiterte Bewerbung einen Paradigmenwechsel heraufbeschworen hat, dem manche Verantwortliche nun hinterherhecheln. Das „Ruckzuck der Bewerbung“ in die Praxis umzusetzen, „das ist ja das Problem“, so Günter Quast.
Da bleiben die Aktiven vor Ort doch gern noch skeptisch. Ingrid Unkelbach verband ihre Hoffnung auf „nachhaltige Projekte“ mit der Mahnung, Trainertätigkeiten auch monetär endlich aufzuwerten. „Wenn da nichts passiert“, so die Leiterin des Olympiastützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein, „haben wir bald keine Leistungssportler mehr hier.“
Ihrem Kollegen Knut Rettig fällt es „schwer, das so zu betrachten, dass hier wirklich langfristig was passiert“. Der Volleyballtrainer des TV Fischbek, dessen Team derzeit trotz aller Erfolge ohne Sponsor dasteht, forderte jenseits von Eventisierung „Detailarbeit“ als Grundlage aller Bemühungen und verwies auf Widersprüche im politischen Vorfeld – etwa wenn das „Jahr des Schulsports“ durch das neue Lehrerarbeitszeitmodell torpediert werde. Doch fehle, so Rettig, auch dem Sport selbst noch „ein Konzept für diese Arbeit“.
Ohne das sieht selbst die engagierte Wirtschaft ein bisschen dunkelgrau. „Repräsentative, zentrale Strukturen“, so Detlev von Livonius, seien unabdingbar für ein gedeihliches Miteinander. Dem Mann vom Otto-Versand schwebt eine „Clearing- und Koordinationsstelle“ vor, um „die Quadratur des Kreises“ hinzubekommen. Gerald Wogatzki von der Handelskammer nahm auch die SportlerInnen selbst in die Pflicht. Die müssten „ihren Marktwert erkennen“ und damit „Wirkungen erzielen, die sich nicht nur aufs Sportliche beziehen“.
Hilfe könnte auch aus der Wissenschaft kommen. Doch „unsere Spezialisten werden in der Praxis nicht nachgefragt“, wie Professor Dr. Klaus-Michael Braumann feststellen musste. Noch immer, so der Dekan der Sportwissenschaftler, hafte seinem Fachbereich das falsche Image an, Anti-Leistungssport zu sein. Eine neue Professur, welche die Kooperation mit dem Olympiastützpunkt vorantreibt, soll das Bild nun korrigieren.
Und die verantwortliche Politik? Der zuständige Sportsenator Rudolf Lange (FDP) war leider unabkömmlich. Sein Emissär Norbert Baumann beteuerte, von der Behörde würden jetzt wirklich „Strukturen“ geschaffen und „nicht nur Versprechungen“ in die Welt gesetzt. Er verwies auf das Projekt „Verbundsystem Schule – Leistungssport“, das seit drei Monaten aktiv ist und zunächst die jetzt schon sportbetonte Gesamtschule Alter Teichweg zur „Eliteschule des Sports“ frisieren soll. Mittel für bis zu zehn Lehrer-Trainer-Stellen stünden ingesamt dafür bereit, um diese wichtige Verzahnung auch darüber hinaus zu gewährleisten.
Doch was, wenn da der richtige Trainer gar nicht das richtige Staatsexamen hat? Und deshalb das Beamtenrecht dazwischenfunkt? Und was nützen die besten Trainer, wenn sie mit der Bezirks-Bürokratie weiter um Trainingsstätten und Hallenzeiten kämpfen müssen?
Da war sie dann wieder, diese „Maschine mit fünf Zahnrädern, die wir noch nicht richtig positionieren können“, so Hans-Jürgen Dankert, gerade frisch wiedergewählter Vorsitzender des Hamburger Sportbundes.
Warum die Maschine Leistungssport aber überhaupt schneller laufen solle, fragte niemand.