Kein Schiff wird kommen

Morgen will das Bundeskabinett den weiteren Ausbau der Havel für große Schiffe beschließen. Umweltschützer halten das unter Helmut Kohl angeschobene Projekt für überflüssig und schädlich

von STEFAN ALBERTI

Es ist ein kleines Idyll, das sich unter der Heerstraße in Richtung Spandau auftut. Die Tiefwerder Wiesen, unweit des Südhafens, sind die letzte Überflutungsfläche Berlins. Noch. Wird die Havel wie geplant ausgebaut, trocknen sie aus – meint der Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). Er befürchtet ein ökologisches Desaster – und auch ein ökonomisches, weil angesichts gesunkener Transportmengen ein weiterer Ausbau unnötig sei. Seine Forderung: Baustopp Ende 2003. Dann sei ein Stand erreicht, der mit Einschränkungen selbst für große Rheinschiffe ausreiche.

Nicht nur den Tiefwerder Wiesen drohe sonst das Aus. Verbreiterung, Abgraben der Ufer und Versiegelung würden auch fast ein Drittel des haveltypischen Röhrichts gefährden – Schilf und andere Sumpfpflanzen. Adressat der Kritik ist der Bund als Besitzer der Wasserstraßen. Laut Bundesverkehrswegeplan von 1992 hätte der Ausbau schon abgeschlossen sein müssen.

Als Nummer 17 der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ unter Kanzler Helmut Kohl beschlossen, sollten auf der Havel gigantische Schubverbände vermeintlich blühende Landschaften verbinden. 185 Meter oder knapp zwei Fußballfelder lang sollten die Schiffe von Hannover nach Berlin fahren. Doch knappe Kassen und eine nach Hochwassern größere Skepsis gegenüber Flussausbau ziehen das Projekt in die Länge.

Der BUND wehrt sich dagegen, dass der Havelausbau morgen im Bundeskabinett unverändert bestätigt wird. Er steht mit seiner Kritik nicht allein. „Auf Berliner Ebene sollte Ende 2003 Schluss mit dem Ausbau sein“, fordert auch Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Er spricht von einem „irrwitzigen Kosten-Nutzen-Verhältnis“. Nach neueren Prognosen würde von den 185-Meter-Schubverbänden wöchentlich nur einer nach Berlin fahren. Von den großen Rheinschiffen werden nur zwei pro Tag erwartet.

Im grün geführten Bundesumweltministerium mag man das Projekt nicht kommentieren und verweist auf das federführende SPD-Verkehrsressort. Unter der Hand gilt der Ausbau als schon fast abgeschlossen. „Da wäre es eine Vergeudung von Kraft, die man an anderer Stelle braucht, sich hier noch groß auf die Hinterbeine zu stellen“, heißt es aus dem Umweltministerium.

Experten der CDU- und der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus mögen ökologische Bedenken nicht klein reden, halten aber an dem Projekt fest. So umweltgerecht wie möglich solle die Sache erfolgen, sagt der umweltpolitische Sprecher der Liberalen, Erik Schmidt. „Ein Ausbau ist aber sehr wohl notwendig, wenn man sich anschaut, was auf den Autobahnen los ist.“

Für CDU-Verkehrsexperte Alexander Kaczmarek ist gerade die Abnahme der Nutzung durch die Schiffahrt ein Argument für den Ausbau: „Verkehrspolitik soll ja gerade antizyklisch sein.“ Kaczmarek geht jedoch davon aus, dass sich in den nächsten zehn Jahren wegen der Ebbe in der Bundeskasse beim Havelausbau wenig tun wird. Die Skepsis ist berechtigt: Die Vorlage für das Bundeskabinett sieht nach Angaben aus dem Umweltministerium Planungen über 5 Milliarden vor, stellt dafür bis 2015 aber nur 900 Millionen Euro zu Verfügung.

An eine frühere Umsetzung glaubt man auch in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht. Das Land könnte den Ausbau blockieren, wenn es ihn als nicht umweltverträglich einordnen würde. „Wir tragen das Projekt mit“, sagt Sprecherin Petra Reetz, „aber mit so wenig Eingriffen wie möglich.“