debatte: nordrhein-westfälische kulturpolitik trotz leerer kassen : Für eine kooperative Kulturpolitik
Wir haben kein feudales Erbe übernommen, deshalb unterhalten wir keine Staatsoper, kein Staatsballett, Ausnahme ist ein „halbes“ Staatstheater
Düsseldorf ist nicht München – und damit meine ich nicht nur den Unterschied zwischen Rhein und Alpen. Auch die kulturelle Landschaft ist grundverschieden: In Nordrhein-Westfalen tragen die Kommunen den größten Anteil der öffentlichen Ausgaben für die Kultur. Das Land unterstützt sie dabei mit 23 Prozent der Mittel (Bayern gibt seinen Kommunen weniger als die Hälfte – zur Zeit rund elf Prozent). Wir haben kein feudales Erbe übernommen, deshalb unterhalten wir keine Staatsoper, kein Staatsballett, einzige Ausnahme ist ein „halbes“ Staatstheater, das Düsseldorfer Schauspielhaus. In manch anderem Bundesland sind große Teile der Kulturausgaben durch solche Institutionen gebunden. Wenn dort auf den ersten Blick mehr Landesmittel für Kultur zur Verfügung stehen, bedeutet das also nicht unbedingt, dass die kommunale Kulturpolitik oder freie Kulturinitiativen davon profitieren.
Kulturpolitik spiegelt wie kaum ein anderes Politikfeld die Geschichte und das Selbstverständnis eines Landes wider. Dem föderalen Grundprinzip verdankt die Kulturlandschaft der Bundesrepublik ihre Vielfalt. Nordrhein-Westfalen hat eine dezentrale Kulturlandschaft, geprägt von selbstbewussten Städten und Kreisen und vom Land unterstützt. Besonders charakteristisch ist das Zusammenspiel von Land, Städten und Gemeinden mit Freien Trägern und privaten Partnern. Der gerade veröffentlichte Finanzbericht der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder 2003 zeigt, dass wir bei den Kulturausgaben weit vorn liegen. Bayern folgt mit zirka drei Viertel der hiesigen Aufwendungen, Berlin – einmal ohne fürsorgliche Hilfe des Bundes betrachtet – wendet weniger als die Hälfte auf und liegt recht blass irgendwo im Mittelfeld. Bis zum Doppelhaushalt 2004/2005 ist es dem Kulturministerium gelungen, die Kulturausgaben von Kürzungen zu verschonen. Im Gegenteil: Mit der RuhrTriennale kam eine neue Initiative hinzu, die schon heute in die Reihe der bedeutenden europäischen Festivals gehört und NRW als Kulturland weitere internationale Aufmerksamkeit verschafft. Erst in diesem Jahr mussten wir reduzieren. In vielen Gesprächen mit betroffenen Einrichtungen und Initiativen haben wir nach Wegen gesucht, die Folgen so weit wie möglich zu mindern. Zweifellos sind die Einschnitte dennoch schmerzhaft. Ich kann daher jeden verstehen, den sein Engagement für Kunst und Kultur dazu bringt, generell ‚mehr Geld‘ zu fordern. Aber ich fürchte, das reicht nicht. Natürlich brauchen Kunst und Kultur Menschen, die sich einsetzen – mindestens ebenso wichtig sind jedoch Ideen und Konzepte, um die Kulturlandschaft weiter zu entwickeln. Dabei haben wir in den vergangenen Jahren viel erreicht. Die Strukturen der Kulturarbeit sind stabil und können sich an vielen Themen weiter profilieren: etwa bei der interkulturellen Kulturarbeit und der kulturellen Bildung, besonders für Kinder und Jugendliche. Indem die Fördermittel für kommunale Theater, Orchester und Musikschule in das Gemeindefinanzierungsgesetz übertragen wurden, haben wir die Unterstützung für diese Einrichtungen dauerhaft abgesichert. Eine gerade gestartete Initiative fördert Kooperationsprojekte zwischen kommunalen und freien Theatern, um hier den Austausch zu intensivieren. Neu sind auch Instrumente, die für mehr Transparenz in der Kulturlandschaft sorgen. So soll regelmäßig ein Kulturförderbericht erstellt werden. Der Kulturrat NRW informiert in einem „Dschungelbuch“ im Internet seit einem halben Jahr über aktuelle Fördermöglichkeiten. Wichtig ist mir auch der Fonds Neues Musiktheater, der Uraufführungen aktueller, ungewöhnlicher und nicht marktgängiger Werke ermöglicht. Kunst und Kultur zu fördern ist keine Subvention, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe. Ihr Wert ist in Euro und Cent nur unzureichend zu bemessen. Nicht jede/r kann (und soll) ein/e Künstler/in sein. Aber Lust auf Erneuerung, Mut zum Querdenken und Neugierde auf Kreativität sollte für alle möglich sein. Michael Vesper