Eingetreten in die feinen Kreise

Wimbledon-Sieger Roger Federer hat ein Kleinunternehmen aufgebaut, das sein Talent erst richtig zum Tragen bringt

WIMBLEDON taz ■ Auch abends im Smoking gewann er mit Herz und Stil. In einer kleinen, feinen Rede beim traditionellen Champion’s Dinner im Savoy Hotel wandte sich Roger Federer, der Wimbledonsieger 2003, an die Mitglieder des exklusiven All England Club und sagte: „Es ist schön, dass ich jetzt zu Ihnen gehöre. Und wenn Sie Lust haben, mal mit mir zu spielen, dann rufen Sie nur an.“ Wer kann sich ein solches Angebot entgehen lassen? Ein paar Bälle mit einem netten, jungen Mann zu spielen, der seine Kunst beherrscht? Federer jedenfalls amüsierte sich prächtig im Kreise der Seinen und der neuen Freunde aus dem Klub, und als er das Fest nach Mitternacht verließ, funkelten draußen am Himmel die Sterne.

Man begegnet selten Menschen, die sich selbst loben können, ohne dabei übertrieben eitel und eingebildet zu klingen. Roger Federer, 21, weiß, was er kann, und manchmal sieht es so aus, als sei er selbst in sein Spiel verliebt. Als er vor fünf Jahren den Juniorentitel in Wimbledon gewann, schwärmten schon alle von seinem Talent; als er vor zwei Jahren auf dem Centre Court Pete Sampras besiegte, sagten alle, dessen Nachfolger sei gefunden. Er habe das natürlich alles gehört, hat Federer vergangene Woche gesagt, aber er habe einfach nicht gewusst, was passieren müsse, um das Talent zum Tragen zu bringen. Harte Arbeit, ein bisschen Glück?

Im Spiel sieht es so aus, als sei er mit stoischer Ruhe am Werk, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Federer ist, nicht nur wegen der heißen Tränen nach dem Sieg, ein emotionaler Mensch, dem es nicht immer leicht gefallen ist, seine Launen im Spiel in den Griff zu kriegen. Aber es ist besser geworden, von Jahr zu Jahr, und er hat sich ein Umfeld geschaffen, in dem er sich angespornt und geborgen fühlt.

Der lebenslustige Schwede Peter Lundgren, 38, früher schon als Trainer des Schweizer Tennisverbandes an Federers Ausbildung beteiligt, ist seit rund drei Jahren dessen alleiniger Coach, und die beiden verstehen sich so gut, dass sie sich gelegentlich auch ein Zimmer teilen. Seit rund drei Jahren ist die Kollegin Miroslava Vavrinec, 25, an seiner Seite, die die eigene Karriere im vergangenen Jahr wegen einer Verletzung beendet hat. Die beiden sind die wichtigsten Menschen in seiner Umgebung und tragende Kräfte des Kleinunternehmens Roger Federer.

Der hat, ungewöhnlich in diesen Zeiten, die Verträge mit der mächtigen Agentur IMG gekündigt und lässt sich nun von den Menschen seiner Wahl betreuen. Dazu gehört auch Lynette Federer, die aus Südafrika stammende Mutter, die ihren Teilzeitjob bei der Schweizer Ciba-Chemie gekündigt hat und seit Juni das Herz der neuen Firma daheim in Bottmingen bei Basel ist, unterstützt von Vavrinec, die Reiseplanung, Medientermine und Sponsorenevents koordiniert.

Spielen aber muss Federer immer noch selbst. Schwer zu sagen, was passiert ist in der kurzen Zeit seit der Niederlage in der ersten Runde der French Open gegen einen gewissen Luis Horna. Der Sieg gleich danach beim Rasenturnier in Halle hat sicher eine Rolle gespielt, aber acht Titel bei kleineren Turnieren hatte er vor Wimbledon ohnehin schon gewonnen, davon vier allein in diesem Jahr.

Am Tag vor dem großen Finale hatte er noch Bedenken, ob er dieses lang ersehnte Spiel so intensiv erleben würde wie seinerzeit den spektakulären Sieg gegen Sampras. Ist ja nicht selten so, dass Ereignisse, auf die man sich lange freut, in der Realität auf einmal ihren Zauber verlieren. Aber er sorgte selbst dafür, dass das nicht passieren konnte. Spielte wieder so losgelöst und souverän, dass einem der gute Mark Philippoussis, der auch nicht viel falsch machte an diesem Tag, ein wenig Leid tun konnte. DORIS HENKEL