Mit offenem Visier kämpfen

betr.: „F. Ludin versus A. Schwarzer“, taz vom 4. 7. 03

Vielen Dank für Ihre ausgewogene Darstellung. Eberhard Seidel tut seinem antirassistischen Anliegen aber keinen Gefallen, wenn er behauptet, F. Ludins Kampf sei kongruent mit dem von Milli Görüs, weil beide Elemente der Scharia in Deutschland durchsetzen wollten.

Frau Ludin möchte für sich das Recht durchsetzen, unabhängig von ihrer Religion ihren Beruf auszuüben. Das ist das genaue Gegenteil der Scharia und entspricht unserem Grundgesetz, das Diskriminierung aufgrund der Religion verbietet. Insofern ist Frau Ludins Anliegen nicht mit Milli Görüs, sondern mit der deutschen Verfassung und übrigens auch mit allen christlichen Positionen kongruent, die es akzeptabel finden, dass Nonnen im Ornat in sozialen und pädagogischen Berufen arbeiten können. [Derzeit scheitert eine ordentliche Antidiskriminierungsgesetzgebung an eben diesem Privileg der christlichen Religionen.]

Es ist traurig, dass sich in Deutschland so wenige Menschen für Meinungsfreiheit einsetzen, obwohl diese und nicht Verbote das effektivste Mittel im Kampf gegen Fundamentalismen jeglicher Art sind. ANJA WEISS, München, Autorin von

„Rassismus wider Willen“, Westdeutscher Verlag 2001

Also, mir ist eine Alice Schwarzer, die mit offenem Visier (und mit offenen Haaren) für Gleichberechtigung aller Menschen kämpft, zehnmal lieber als zehn Fereshta Ludins, die sich vorwerfen lassen müssen, sich hinter bestenfalls allgemein gehaltenen Distanzierungen vom Islamismus (und unter ihrem Kopftuch) zu verstecken, und die allenfalls für die Gleichberechtigung von Kopftuchträgerinnen kämpfen. ULRICH CH. BLORTZ, Köln

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