steffen grimberg
: Der Hörfunktyp

Es ist schon eine hübsches Zusammentreffen: Während sich in der Hauptstadt der Berliner Journalistenverband ungespitzt in den Boden rammt (siehe Aufmacher), hält der scheidende Bundespräsident bei der Jahrestagung des Netzwerks Recherche eine Rede zum Verhältnis von Amt, Politik und Medien. Eine ziemlich gute Rede übrigens.

Weil er ein Dilemma, das beim Thema Medien jeden Bundespräsidenten umwölkt, geschickt umging: Ross und Reiter darf Rau so direkt nicht nennen, höchst präsidial sind alle zu meinen, das, so Rau, „ist ja gewissermaßen im Amtsbegriff des Bundespräsidenten festgelegt“.

„Guter Journalismus kostet Geld“, sagt Rau. Das hört sich platt an, doch die Wahrheit ist eben meist gar nicht so komplex. Oder doch? Wie sieht es aus mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Medien in Zeiten knapper Kassen? „Ist ein neuer Trend wirklich ein Trend, oder stellt sich hier die Publizistik in den Dienst der Verwertungskette der beteiligten Medienunternehmen?“ Geht’s ein bisschen deutlicher? – Ja doch: „Ist der Superstar wirklich ein Talent?“

Auch mit dem anderen Leitmedium dieser Tage geht Rau ins Gericht und mit denen, die sich davon leiten lassen. Mit dem lapidaren Man-sei-„am-Thema-nicht-vorbeigekommen“ erklärten sich immer mehr Chefredakteure immer häufiger für nicht zuständig. „Ich habe nichts gegen Boulevard, aber kann es wirklich sein, dass ein Boulevardblatt zum Leitmedium der deutschen Presse wird?“, fragt der Präsident und wünscht den Redaktionen „mehr Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit: Man muss nicht überall mitmachen.“

Und gegen die Einrichtung des Leitmediums sei er nun mal per se – wie übrigens auch dagegen, „dass die politischen Themen festgelegt werden sonntagabends um zehn.“ Er selbst hört sowieso lieber Radio: „Ich bin mehr ’n Hörfunktyp.“ Und natürlich gebe es auch sterbenslangweilige Bundestagsdebatten. „Glauben Sie aber nicht, dass diese Talkshows spannender sind. Da sitzen doch auch immer dieselben Leute.“ – Wen er da nur wieder gemeint hat?