piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Terrorist im Ausländerwohnheim

Ein Drahtzieher des Attentats vom 11. März in Madrid lebte zuvor zwei Jahre lang im Saarland. Die Terrorplanung begannaber wohl erst später. Trotz aller Sicherheitspakete könnte „Mohammed der Ägypter“ auch heute nicht abgeschoben werden

VON CHRISTIAN RATH

Deutschland ist erneut als Terroristenhort in den Schlagzeilen. Der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge von Madrid, Rabei Osman Sayed Ahmed, lebte zwei Jahre lang im Saarland. Der 32-Jährige, der auch „Mohammed der Ägypter“ genannt wird, war Anfang der Woche in Mailand festgenommen worden.

Ahmed soll im April 1999 illegal nach Deutschland eingereist sein. Bei der Weiterreise nach Frankreich wurde er im Juni 1999 festgenommen und nach Deutschland zurückgeschickt. Ein Asylantrag wurde binnen weniger Wochen abgelehnt, und Ahmed landete in Abschiebehaft im saarländischen Ottweiler.

Ahmed ist gebürtiger Ägypter und hat die marokkanische Staatsangehörigkeit. Bei den Behörden gab er sich als staatenloser Palästinenser aus. Als solcher konnte er nicht abgeschoben werden, weil ihn kein Land aufnehmen wollte. Nach einem Jahr Abschiebehaft erhielt Ahmed eine Duldung und lebte ab September 2000 als Sozialhilfeempfänger im zentralen saarländischen Asyllager Lebach. Von dort verschwand er im August 2001, vermutlich nach Spanien.

In einem abgehörten Telefongespräch brüstete sich Ahmed mit Blick auf die Anschläge von Madrid, bei denen am 11. März diesen Jahres 191 Menschen getötet und rund 1.500 verletzt wurden: „Das war mein Projekt, ein Projekt, das mich viel Geduld und viel Arbeit gekostet hat.“ Zweieinhalb Jahre lang habe er den Plan vorbereitet. Wenn diese Angabe stimmt, hat er mit der Planung erst nach seinem Aufenthalt in Deutschland begonnen. Davon geht derzeit auch die Bundesanwaltschaft aus. Anlass zur Kritik an deutschen Sicherheitsbehörden gibt es also wohl nicht.

Spekuliert wird in Medien derzeit über persönliche Verbindungen zwischen den Attentätern von Madrid und den Hamburger Attentätern des 11. September 2001 um Mohammed Atta und Ramzi Binalshibh. Doch bisher gibt es dafür keine Belege.

Mit den deutschen Sicherheitsbehörden hatte Ahmed dreimal zu tun. Als er in Lebach einen Gebetsraum einrichtete und dort auch gegen Juden hetzte, stellte der saarländische Verfassungsschutz ihn unter Beobachtung. Nach den Attentaten von New York und Washington sollte Ahmed wie andere Islamisten überprüft werden, doch da war er schon verschwunden. Später gab es noch eine Anfrage spanischer Ermittler, die dazu führte, dass Generalbundesanwalt Kay Nehm einige Telefonkontakte Ahmeds rekonstruieren und überprüfen ließ, zu einem förmlichen Ermittlungsverfahren reichte das nicht.

Gegen die Madrid-Attentäter ermittelt Nehm schon seit längerem, weil dort auch eine deutsche Frau verletzt wurde. Jetzt wurde Ahmed in dieses Ermittlungsverfahren einbezogen. Zu einer Anklage in Deutschland dürfte dies jedoch kaum führen, da die spanische Justiz hier natürlich Vorrang genießt.

Auswirkungen auf die Debatte um das Zuwanderungsgesetz sollte die deutsche Episode von Rabei Osman Sayed Ahmed eigentlich auch nicht haben. So lassen sich mit seinem Fall keine neuen Ausweisungsgründe rechtfertigen, denn Ahmed war von vornherein illegal in Deutschland und hätte sehr schnell abgeschoben werden können. Gegen praktische Probleme wie unklare Staatsangehörigkeiten gehen jedoch auch alle Verschärfungen des deutschen Ausländerrechts ins Leere.

Schon einmal war die deutsche Innenpolitik im Zusammenhang mit den Madrider Anschlägen elektrisiert. Ein Mitverdächtiger, der Marokkaner Fouad A., war seit Oktober 2003 in Darmstadt gemeldet. Bald stellte sich jedoch heraus, dass er dort nur einige Tage gelebt hatte.