: Heftige Kämpfe in Liberia
Die Rebellen rücken erneut in die Hauptstadt Monrovia ein. Sie wollen militärische Fakten schaffen, bevor eine Friedenskonferenz ein Abkommen schließt, das sie von der Macht ausschließt
von DOMINIC JOHNSON
Zum dritten Mal in einem Monat ist Liberias Hauptstadt Monrovia Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen den Regierungstruppen von Präsident Charles Taylor und den gegen ihn kämpfenden Rebellen geworden. Die Rebellen der „Vereinigten Liberianer für Versöhnung und Demokratie“ (Lurd) überschritten am Samstag eine strategisch wichtige Brücke und rückten ins Stadtzentrum ein. Vor den Gefechten hatten sich tausende von Kriegsvertriebenen auf die Flucht ins Stadtzentrum begeben. Monrovia, wo etwa ein Drittel der drei Millionen Liberianer leben, beherbergt derzeit etwa 250.000 mittellose Kriegsvertriebene.
In Liberia kämpfen Rebellen seit mehreren Jahren gegen die Regierung von Präsident Charles Taylor, der wegen seiner früheren Unterstützung für Rebellen in Sierra Leone unter UN-Sanktionen steht. Die Rebellen gelten als nicht minder brutal als Taylors Armee. Friedensbemühungen der Staaten Westafrikas haben bislang wenig gebracht: Am 17. Juni vereinbarten die Kriegsparteien zwar unter ghanaischer Vermittlung einen Waffenstillstand sowie den Rücktritt Taylors innerhalb von 30 Tagen zugunsten einer Übergangsregierung. Doch diese Frist, die am 17. Juli ablief, ist nicht eingehalten worden. Die jüngste Offensive der Rebellen ist darauf die Reaktion.
Dass der Friedensplan nicht eingehalten wurde, liegt an einer Selbstblockade der internationalen Gemeinschaft. Zur Durchsetzung ihres Friedensplanes hatten Westafrikas Staaten eine Militärintervention beschlossen und dabei um Mitwirkung der USA gebeten. Taylor hatte sich bereit erklärt, ins Exil in Nigeria zu gehen und dort Immunität zu genießen, wenn vorher US-Truppen kommen. Die US-Regierung will jedoch nicht militärisch in Liberia eingreifen, solange Taylor im Land ist. Die Westafrikaner wiederum wollen erst Soldaten schicken, wenn die USA sich auf ein Eingreifen festgelegt haben. So ist nichts passiert – was den Rebellen freie Hand lässt.
Hinter den Kulissen wird jedoch an einer Lösung gebastelt. Nach der jüngsten Afrikareise von US-Präsident George Bush haben die USA und Nigeria gemeinsam einen neuen Friedensplan für Liberia erarbeitet, der am Freitag offiziell der in Ghana laufenden Liberia-Friedenskonferenz aus allen politischen Kräften des Landes vorgelegt wurde. Er sieht vor, dass spätestens zum 2. August Taylor die Macht an eine neutrale Übergangsregierung abgibt, die bis Oktober 2004 Wahlen organisiert. In der Übergangsregierung sollen die Rebellen keine führende Position bekleiden. Ihre Arbeit soll von UNO, Weltbank und IWF überwacht werden. Der internationale Liberia-Vermittler, Nigerias Expräsident Abdulsalami Abubakar, hofft auf eine Annahme dieses Planes bis Dienstag. Dann könnte auch eine von Nigeria geführte Friedenstruppe der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) in Liberia eingesetzt werden. Beratungen darüber sollten am Sonntag in Senegal beginnen. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte: „Der Plan ist, dass Ecowas eine Voraustruppe von 1.000 bis 1.500 Soldaten schickt. Wenn sie da ist, würde Präsident Taylor gehen und die USA und andere Verstärkung würden nach Liberia einrücken, um sich der Voraustruppe anzuschließen. Langfristig würde eine UN-Truppe die Operation übernehmen, ähnlich wie in Sierra Leone.“
Doch weder die Taylor-Regierung noch die Rebellen mögen den neuen Friedensplan. Die Regierung ist zwar mit Taylors schnellem Abgang einverstanden, will aber, dass danach sein Vizepräsident Moses Blah die Macht übernimmt und einen Stellvertreter bestimmt, der zum Ablauf von Taylors regulärer Amtszeit im Januar 2004 Präsident wird. Die Rebellen wiederum verlangen in der Übergangsregierung zwei Vizepräsidentenposten. Es wird schwer werden für die internationalen Vermittler und Liberias zivile Kräfte, sich gegen die Behauptungsversuche der Kriegsparteien zu stellen, die Liberia in den letzten 13 Jahren so zugrunde gerichtet haben wie kaum ein anderes Land der Welt.