: Verwirrung um Stahl-Privatisierung
Die Regierung in Österreich will sich von möglichst allen Unternehmensbeteiligungen trennen – auch wenn diese Gewinn bringen wie der Stahlkonzern Voest Alpine. Bei den Verkaufsverhandlungen geht es nicht immer mit rechten Dingen zu
aus Wien RALF LEONHARD
Privatisierung der noch bestehenden Staatsbeteiligungen an der Industrie stand ganz oben auf der Prioritätenliste der rechtskonservativen österreichischen Regierung unter Wolfgang Schüssel. „Mehr privat, weniger Staat“, war schon lange eine Devise des Bundeskanzlers. Allerdings müssen er und sein Finanzminister Karl-Heinz Grasser sich inzwischen die Frage gefallen lassen, welche Strategie sie beim Verkauf der noch verbliebenen Staatsanteile verfolgen. Schon bisher hatten sie bei der Privatisierung keine glückliche Hand. Im aktuellen Fall Voest Alpine AG scheint es nicht besser zu laufen.
Der in Linz ansässige Stahlkonzern hat eine lebhafte Geschichte. Einst im Krieg als Hermann-Goering-Werke für die Rüstungsindustrie geschaffen, wurden die Vereinigten Österreichischen Edelstahlwerke später zu einem modernen Paradebetrieb der verstaatlichten Industrie. Durch die üblichen Laster des staatlichen Managements schlitterte das Unternehmen ganz schnell in die roten Zahlen. Während der ersten Privatisierungswelle der Neunzigerjahre wurde es in drei Konzerne zerlegt, saniert und teilweise verkauft.
VA Tech, Böhler Uddeholm und Voest Alpine AG heißen die Nachfolgeunternehmen, deren Staatsanteile gemeinsam mit anderen Staatsunternehmen von der Österreichischen Industrieholding AG (ÖIAG) verwaltet werden. Von Voest Alpine hält sie noch 34,7 Prozent. Eigentlich standen diese noch gar nicht zur Privatisierung an – der Betrieb hat sich nach der Teilprivatisierung blendend erholt und steuert weiter auf Wachstumskurs.
Vor einigen Wochen wurde aber ruchbar, dass die ÖIAG Geheimverhandlungen mit dem Magna Konzern des Austrokanadiers Frank Stronach führte. Magna ist unter anderem ein wichtiger Zulieferer für DaimlerChrysler und hat bei der Privatisierung schon einmal zugelangt. Die geheimen Gespräche, die unter dem Codenamen „Minerva“ liefen, wurden jäh unterbrochen, als die Öffentlichkeit davon Kenntnis erhielt.
Finanzminister Grasser – der übrigens selbst ein ehemaliger Angestellter des Magna-Konzerns ist und nach dem Ende seiner politischen Karriere ein Rückkehrrecht hat – wurde verdächtigt, seinen alten Arbeitgeber begünstigt zu haben. Zusätzlicher Schönheitsfehler: Grasser hatte den Magna-Vizechef Siegfried Wolf in den Aufsichtsrat der ÖIAG gehievt. Weder Wolf noch Grasser mochten in dieser Doppelfunktion allerdings eine Unvereinbarkeit erkennen. Nicht einmal, wenn Magna bei der Privatisierung mitbieten will.
Der Finanzminister steht deshalb seit Wochen unter Beschuss der Opposition. Er hat seine Homepage von der Industriellenvereinigung sponsern lassen, spielte eine undurchsichtige Rolle bei der Kaufentscheidung für achtzehn Eurofighter, wird verdächtigt, für Vorträge Honorare kassiert zu haben, und investiert Millionen an Steuergeldern in Selbstdarstellung und Beraterverträge. Dabei kommen praktisch immer seine persönlichen Freunde zum Zug.
Um jetzt in der Privatisierungsaffäre jeden Verdacht zu beseitigen, erklärte er flugs, „strategische Investoren“ – darunter fallen für ihn Magna und ThyssenKrupp – seien im neuen Privatisierungsauftrag ausdrücklich ausgeschlossen. Tags darauf wurde Grasser aber von seinen Beratern darauf aufmerksam gemacht, dass eine solche Einschränkung nach den EU-Richtlinien gar nicht zulässig ist. Prompt verkündete er dann doch, niemand sei von einer Anbotslegung ausgeschlossen.
Mittlerweile war aber in Linz bereits die Panik ausgebrochen. Die Voest-Belegschaft sprach sich einhellig gegen einen Verkauf an Stronach aus, denn es ist nicht vergessen, dass er vor einigen Jahren die Puch AG kaufte, filetierte und dann einen Teil ins Ausland verlegte. Oberösterreichs Landshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), der seinen Sieg bei den Landtagswahlen im September nicht gefährden will, forderte eine „österreichische Lösung“ und brachte den Direktor der oberösterreichischen Raiffeisenkassa, Ludwig Scharinger, ins Spiel. Der würde sich für einen Verbleib des gesamten Unternehmens in seinem Bundesland verbürgen. SPÖ und Gewerkschaft wollen einen Staatsanteil halten – schließlich wirft das Unternehmen Gewinn ab – und den Rest der Aktien an die Börse bringen.
Viel unprofessioneller als diese Regierung, so Wirtschaftsexperten in den Medien, kann man eine Privatisierung nicht angehen. Man habe gleichzeitig Belegschaft, Kunden und potenzielle Investoren verunsichert. Das untergrabe des Vertrauen in das Unternehmen und drücke den Wert der Aktien.