: Die Zeichen stehen auf Verstaatlichung
Für diese Woche hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf angekündigt, wie sie das Bankenrettungspaket erweitern will. Die Richtung scheint klar. Streit gibt es aber über die Möglichkeit von Enteignungen
BERLIN taz/ap/dpa ■ Die Bundesregierung will ihre bisherigen Hilfen von 92 Milliarden Euro und mögliche künftigen Zuschüsse für die Hypo Real Estate (HRE) durch eine Verstaatlichung des Immobilienfinanzierers absichern. Dafür muss sie das Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetz erweitern. Ein abgestimmtes Konzept gibt es aber in der großen Koalition offenbar noch nicht. Wesentliche Streitfrage ist der Eingriff in Aktionärsrechte. Schließlich geht es bei Verstaatlichungen möglicherweise auch um Quasi-Enteignungen der Aktionäre. Der bisherige Haupteigentümer der HRE beispielsweise weigert sich bislang, seine Anteile zu verkaufen, weil er sie für wesentlich mehr Geld erworben hat, als sie heute an der Börse wert sind.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, dass bei der HRE akuter Handlungsbedarf bestehe. Das Unternehmen müsse jetzt „in stabile Seitenlage“ gebracht werden, sagte sie am Samstag vor CDU-Kreisvorständen. Der Staat müsse grundsätzlich darauf achten, dass Banken nicht auch noch andere nach unten zögen. Bestes Beispiel dafür sei die Insolvenz der US-Bank Lehman Brothers im vergangenen Oktober.
Noch in dieser Woche will die Bundesregierung deshalb die Grundlage für die Bankenrettungsmaßnahmen erweitern. Am Freitag war ein Entwurf aus dem Bundesfinanzministerium publik geworden, der bei einem Treffen von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit Vertretern von Justiz- und Wirtschaftsministerium sowie des Kanzleramts aber noch keine Zustimmung fand.
Geplant ist darin, dass die Regierung bis Ende des Jahres jede Bank verstaatlichen kann. Enteignungen sollen dabei nur zulässig sein, wenn „keine anderen rechtlichen und wirtschaftlichen Mittel zur Verfügung“ stehen. Allerdings könnten sie „durch Erlass einer Rechtsverordnung der Bundesregierung“, also ohne Zustimmung des Bundesrats beschlossen werden.
Die Entschädigung würde sich nach dem durchschnittlichen Aktienkurs zwei Wochen vor dem Termin bemessen. Sollte der Wert der Anteile unmittelbar vor der Entscheidung abstürzen, soll sogar nur der Schnitt der letzten drei Tage genommen werden.
Im Fall der HRE wäre der US-Investor und Großaktionär J. C. Flowers der Hauptbetroffene. Nach dem Gesetzentwurf bekäme er für seinen 25-Prozent-Anteil nur 1,50 Euro je Aktie. Gekauft hatte er sie für 22,50 Euro.
Die Verfassung könnte eine praktische Handhabe für solche Pläne bieten. Artikel 14 des Grundgesetzes garantiert zwar das Eigentum, verpflichtet aber zugleich zum Dienst am Allgemeinwohl und lässt dafür Enteignungen in Einzelfällen zu. Enteignet werden darf aber nur auf Basis eines Gesetzes, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Dies ist bisher beim Straßen- und Schienenbau relevant: Wenn Privateigentümer ihre Grundstücke nicht freiwillig an öffentliche Bauherren verkaufen, werden sie enteignet und zum Marktpreis entschädigt. BW