: Gut gemeint ist voll daneben
Der Düsseldorfer Regierungspräsident Büssow erhält einen Preis für seine Anordnung, den Zugang zu rechtsradikalen Webseiten zu sperren. Zum Dank beschimpft der Beamte Medien und Provider
von MONIKA GROSCHE
Der Landesjugendring und die Initiative SOS Rassismus in Nordrhein-Westfalen sind nicht verpflichtet, Experten in Fragen der Netzkultur zu sein. Ein wenig Zeitungslektüre hätte aber wohl nicht geschadet, bevor sie ihren „Goldenen Hammer gegen Rassismus und Gewalt“ in diesem Jahr ausgerechnet an Jürgen Büssow verliehen. Der Düsseldorfer Regierungspräsident zeichne sich durch „aufrechten Gang als Demokrat“ aus, heißt es in der Preisurkunde, weil er „konsequent und wirkungsvoll der Gewalt und dem Rassismus das Wasser abgräbt“.
Von Amts wegen hatte Jürgen Büssow vor bald zwei Jahren angeordnet, dass Provider in Nordrhein-Westfalen einschlägig bekannte Naziseiten für ihre Kunden sperren müssen. Nicht die Telekom, wohl aber Mittelständler befolgen seither die Weisung nicht aus Überzeuguung, sondern aus Angst vor ungewissen Rechtsfolgen. Übersehen haben die Preisrichter, dass Jürgen Büssow konsequent vor allem dann ist, wenn er seine Kritiker verunglimpft. Oft genug haben seine Verlautbarungen den Anschein erweckt, als ob Provider und Medienvertreter eine gemeinsame Hetzjagd auf ihn betrieben. Blanke Empörung rief die Preisverleihung deshalb im breiten Bündnis der Kritiker der Büssow’schen Internetzensur hervor. So verurteilt etwa die Initiative „David gegen Goliath“ in einem offenen Brief, den auch das „Netzwerk neue Medien“ und der Bundesvorstand der „Grünen Jugend“ unterzeichnet haben, die Auszeichnung als politischen „Fehlgriff“. Nicht aufrechter Gang kennzeichne das Vorgehen der Bezirksregierung, sondern „eine Publicity-Show“, die in der Sache „wirkungslos bleibt“. Denn nach Ansicht der Unterzeichner bringen Internetsperren das genaue Gegenteil dessen, was die ebenfalls prämierten Jugendprojekte erreichten: „Kein Jugendlicher lernt durch verordnetes Wegsehen, Position zu beziehen.“
Vor allem die platte Übernahme Büssow’scher Rhetorik in der Begründung des Preises verärgert die Kritiker. „Dumm formuliert“ findet der medienpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Oliver Keymis, die Urkunde, sie setze ein „völlig falsches politisches Signal“. Schließlich seien sich Büssow und seine Kritiker im Ziel, dem Kampf gegen rechts, durchaus einig, nur setzten die einen lieber auf Stärkung der Medienkompetenz des Einzelnen als auf Filtertechnik.
Schon die Laudatio klingt, als komme sie direkt aus dem Regierungspräsidium. Gegner werden als Befürworter „des ungehinderten Zugangs auf Hassseiten“ in die rechte Ecke gestellt. Und eine Predigt der Toleranz ist Büssows Dankschreiben für den Preis erst recht nicht geworden. Bei Spiegel und Focus beklagt er eine „gezielte Negativpresse“, während der Providerverband „eco“ eine – nicht näher erläuterte – Kampagne gegen ihn betreibe. Und selbst Gewaltenteilung bleibt auf der Strecke. Mehrere Gerichte hätten bereits die Rechtmäßigkeit seiner Verfügung bestätigt, schwadroniert der Beamte. In Wahrheit steht die Entscheidung im Hauptsacheverfahren erst noch bevor. Deshalb sind von eco zurzeit keine Stellungnahmen zu bekommen – die Gescholtenen warten lieber auf den Spruch des Gerichts.
Nicht so beim Landesjugendring. „Natürlich hat Herr Büssow nicht nur Freunde“, sagt eine Verbandssprecherin. Ein paar aber schon. Nachweislich ist ein Reporter des WDR vom Intendanten zurückgepfiffen worden, als er über den Fall berichten wollte. An einer weiteren Diskussion hat der Verband kein Interesse: „Einzelne Preisträger sollten nicht herausgehoben und so zu Helden stilisiert werden“ – schließlich sei Antirassismus für alle Träger des Preises „ein dauerhaftes Anliegen“ und keine „vorübergehende Modeerscheinung“. Schade nur, dass auch Jürgen Büssow bei jenem Martinsgansessen der Deutschen Bank schwieg, als ein Teilnehmer antisemitische Sprüche gegen Paul Spiegel zum Besten gab.