: Bald mehr Lecks im Bundestag
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Mitarbeiter von Abgeordneten künftig besser vor Beschlagnahmungen geschützt als die Abgeordneten selbst. Immunität soll jedoch nur parlamentarische Arbeit sichern und gilt nicht absolut
aus Freiburg CHRISTIAN RATH
Die Unterlagen von Abgeordneten sind künftig besser vor Beschlagnahmungen der Justiz geschützt. Dies entschied gestern der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Das Beschlagnahmeverbot für Abgeordneten-Unterlagen erfasst demnach auch Schriftstücke, die der Volksvertreter seinen Mitarbeitern übergeben hat.
Konkret ging es um eine Polizeiaktion im Februar 2002. Die Münchener Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Mitarbeiter des SPD-Abgeordneten Frank Hofmann. Der Mann soll vertrauliche Justizunterlagen aus dem Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre an die Süddeutsche Zeitung weitergegeben und damit „Dienstgeheimnisse“ verletzt haben. Als Hofmann die Polizeiaktion im Büro seines Mitarbeiters bemerkte, widersprach er sofort und verwies darauf, dass die Unterlagen von Abgeordneten grundsätzlich vor Beschlagnahme geschützt sind.
Das Bundesverfassungsgericht gab ihm nun Recht. Solange die Unterlagen der Mitarbeiter im Bundestag verbleiben, könne der Abgeordnete jederzeit darauf zugreifen. Der im Grundgesetz geregelte Beschlagnahmeschutz entfalle erst, wenn ein Mitarbeiter Schriftstücke des Abgeordneten mit nach Hause nehme. Das Verfassungsgericht erinnerte allerdings daran, dass derartige Immunitätsregelungen nur die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Arbeit schützen und nicht absolut gelten. So stimmt der Immunitätsausschuss des Bundestags in der Regel Durchsuchungswünschen der Staatsanwaltschaft zu, wenn gegen den Abgeordneten selbst ermittelt wird.
Bei Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter ist die Situation komplizierter. Wenn er Unterlagen des Abgeordneten an Medien weitergibt, ist er künftig besser geschützt als der Abgeordnete selbst. Denn der Bundestag kann die Beschlagnahme dieser Unterlagen nur dann erlauben, wenn gegen den Abgeordneten selbst ermittelt wird. Ein Freibrief für die Verletzung von Dienstgeheimnissen ist die gestrige Entscheidung freilich nicht. Ein Mitarbeiter kann sich auf das Beschlagnahmeverbot nämlich nicht verlassen. Der Abgeordnete kann es geltend machen, muss es aber nicht. Sobald jedoch der Abgeordnete seinem Mitarbeiter verspricht, er werde ihn auf jeden Fall decken, ist der Abgeordnete Mittäter, und dann kann auch gegen ihn ermittelt werden. Im vorliegenden Fall wurde aber nur gegen den Mitarbeiter ermittelt, weshalb die Beschlagnahme von Hofmanns Unterlagen nun als unzulässig gilt.
Eine zweite Klage Hofmanns scheiterte dagegen. Der SPD-Abgeordnete wollte, dass Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (ebenfalls SPD) gerügt wird, weil er die Durchsuchung im Büro des Mitarbeiters erlaubt hatte. Dem hielt Karlsruhe nun aber entgegen, der Bundestagspräsident habe nur zu prüfen, ob die zu genehmigende Durchsuchung „erkennbar Teil einer ungerechtfertigten Verfolgung“ eines Abgeordneten sei. Dafür habe es aber im Fall von Hofmanns Mitarbeiter keine Anhaltspunkte gegeben.