piwik no script img

Archiv-Artikel

Später Triumph

Der Schweizer Skifahrer Didier Cuche deklassiert die Konkurrenz und wird Super-G-Weltmeister. Für den 34-Jährigen ist es der erste große Erfolg, obwohl er schon lange zu den Schnellsten zählt

AUS VAL D’ISÈRE ELISABETH SCHLAMMERL

Es war die reine Freude für Didier Cuche, die furchterregende Piste „Bellevarde“ hinunterzusausen. Aber kurz vor dem Ziel, als ihm noch ein kleiner Patzer unterlief, hatte er plötzlich Zweifel, ob der Blick auf die Anzeigentafel auch noch eine Freude sei. Er sah, dass er mit einem gewaltigen Vorsprung das Super-G-Rennen bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft in Val d’Isère anführte.

Aber das heißt ja nicht viel bei Didier Cuche. Es hätte in die Vita des 34 Jahre alten Schweizers gepasst, hätte ihn noch ein Konkurrent von der Gold-Position verdrängt. Denn bisher war Cuche in seiner Karriere nicht gerade vom Glück begünstigt. Er hat zwar 8 Weltcup-Rennen gewonnen, war aber auch 21 Mal auf dem zweiten Platz gelandet, häufig nur um ein paar Hundertstelsekunden geschlagen. Es gibt wohl kaum einen Skirennläufer, der so oft so knapp an großen Erfolgen vorbeifuhr.

Der gelernte Metzger aus Neuchatel gehört seit gut zehn Jahren zu den besten Schnellfahrern der Welt, aber alles, was er bis zu diesen Titelkämpfen gewann, war einmal olympisches Silber in Nagano hinter Hermann Maier im Super-G und vor zwei Jahren bei der WM in Are Bronze im Riesenslalom. Die Niederlage, die ihm am meisten Spott und Häme einbrachte, war die am Ende der vergangenen Saison. Da schaffte es Cuche, einen komfortablen Vorsprung von 99 Punkten im Kampf um den Sieg in der Super-G-Wertung zu verspielen – und den österreichischen Männern damit den einzigen Triumph in einer Disziplinwertung zu bescheren. Ein Punkt und damit der 15. Platz im finalen Rennen in Bormio hätte genügt, um die kleine Kristallkugel zu gewinnen. Cuche legte einen Sicherheitslauf hin – und wurde 16. „Jetzt bin ich der größte Trottel in den Bergen“, sagte er danach niedergeschlagen.

Auch am Dienstag hatte Cuche kurz Sorge, dass sich wieder einmal alles gegen ihn verschwören könnte. Als es kurz vor seinem Start noch einmal eine Unterbrechung gab, weil ein Tor fixiert werden musste, sah er am Himmel eine Wolke heranziehen. „Ich dachte: Nein, bitte nicht das, bitte nicht heute.“ Die Nervosität sei daraufhin noch größer geworden, gab er zu. Die Wolke hatte aber ein Einsehen und schob sich nicht vor die Sonne. Niemand konnte Cuche mehr vom ersten Platz verdrängen, nicht der Norweger Aksel-Lund Svindal, der mit mehr als einer Sekunde Rückstand Bronze holte, nicht Peter Fill aus Italien, der dem Schweizer noch am nächsten kam, aber auch 0,99 Sekunden langsamer war und sich mit Silber begnügen musste. Fills Landsmann Christof Innerhofer, der bis zur Fahrt von Cuche das Klassement angeführt hatte, sah den neuen Weltmeister nicht nur „eine Klasse besser, sondern zwei“. Eigentlich hätte Cuche nicht unbedingt zu den Topfavoriten im Super-G gezählt werden müssen, schließlich hatte er in dieser Saison als bestes Resultat nur einen dritten Platz in der zweitschnellsten Disziplin zu Buche stehen. Aber weil die Piste die Bellevarde hinunter sehr kurvig gesetzt war, wegen des Gefälles kurvig gesetzt werden musste, hatten die Konkurrenten Cuche auf der Rechnung. „Ich weiß nicht, warum ich besser gefahren bin als in den Weltcup-Rennen“, sagte der ratlose Cuche. Svindal, der Drittplatzierte, gab eine Antwort darauf: „Er mag es, wenn es eisig ist.“

Auch wenn Cuche das Pech gepachtet zu haben schien, die Schweizer Trainer waren sich sicher, dass diese schwarze Serie einmal reißen würde, reißen müsste. Der Knackpunkt, sagt sein Coach Patrice Morisod, sei der Kreuzbandriss gewesen, den sich Cuche im Januar 2005 in Adelboden zugezogen und der ihn um die Teilnahme an der WM in Bormio gebracht hatte. Davor hatte er versucht, den Erfolg zu erzwingen. Seine Verbissenheit war ihm oft im Weg gestanden. Aber nach seinem Comeback wurde er lockerer, bezeichnet Skifahren seitdem „als den schönsten Beruf der Welt“ und nimmt selbst Niederlagen mit Humor. „Ich glaube nicht, dass ich besonders viel Pech hatte“, sagte Cuche in Are, nachdem er im Super-G eine Medaille um eine Hundertstelsekunde verpasste hatte. Am Mittwoch in Val d’Isère hatte er auch nicht besonders viel Glück, er fuhr einfach nur viel, viel besser als die Konkurrenten.