: Blair vor seinem Richter
Untersuchungsausschuss in der Affäre Kelly nimmt Arbeit auf. Lordrichter Hutton will Premier Tony Blair, dessen Sprecher Alastair Campbell und Verteidigungsminister Geoff Hoon vernehmen
BERLIN taz ■ Der britische Premierminister Tony Blair und Mitglieder seiner Regierung sollen bei der richterlichen Untersuchung des Falles David Kelly aussagen. Lordrichter Brian Hutton, der die Untersuchung gestern eröffnete, hat zwar nicht die Macht, die Politiker vorzuladen, aber eine Aussageverweigerung würde der angeschlagenen Glaubwürdigkeit der Regierung weiteren Schaden zufügen.
Kelly war die Hauptquelle für einen BBC-Bericht, wonach Blairs Chefsprecher Alastair Campbell ein Dossier über die Gefahr durch irakische Massenvernichtungswaffen aufgebauscht habe, um Öffentlichkeit und skeptische Labour-Hinterbänkler auf den Krieg einzustimmen. Kelly, der als Waffenexperte im Dienst des Verteidigungsministeriums stand, hat vor gut zwei Wochen vermutlich Selbstmord begangen.
„Ich werde die relevanten Fakten detailliert und sorgfältig untersuchen“, sagte der 72-jährige Hutton gestern. Er erklärte, dass ihm ein Brief vorliege, den Kelly im Juni an seinen Vorgesetzten im Verteidigungsministerium geschrieben hat. Darin räumt der Wissenschaftler ein, mit dem BBC-Reporter Andrew Gilligan gesprochen zu haben, fügte jedoch hinzu, dass der seinen Bericht ausgeschmückt habe. Hutton soll nun untersuchen, was Kelly dem Reporter eigentlich erzählt hat. Dafür kann er lediglich auf Gilligan als Zeugen zurückgreifen. Außerdem soll die Untersuchung herausfinden, wer Kellys Namen an die Presse weitergegeben hat. Die Financial Times berichtete, dass es das Verteidigungsministerium war. Bis zu Kellys Tod hatte die BBC ihre Quelle geheim gehalten. Huttons Bericht soll noch in diesem Jahr vorliegen.
Nicht zur Untersuchung gehört die Frage, ob Campbell tatsächlich angeordnet hat, das Irak-Waffendossier „sexier“ zu machen, wie die BBC behauptet hat. Eine unabhängige Untersuchung, die dieser Frage nachgehen sollte, hatte Blair verhindert. RALF SOTSCHECK
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