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Archiv-Artikel

Ereignis aus dem real-existierenden Kapitalismus

Phoenix-Übernahme in Hamburg-Harburg durch Conti in Hannover: Der Reifen rollt, der Euro fließt und die Beschäftigten zahlen die Zeche

Hamburg taz ■ Der Phoenix-Betriebsratsvorsitzende Nils Mauch ist Realist: „Die Kapitalisten haben sich entschieden – so ist das im Kapitalismus!“ Daher sei es „albern“, auf der heutigen Phoenix-Aktionärshauptversammlung in der Hamburger Handelskammer noch mal Rabatz zu machen. „Das wird einen Herrn Daun als Großaktionär nicht interessieren,“ glaubt Mauch, „Wir müssen jetzt die politischen Möglichkeiten nutzen.“

Tatsächlich haben die Eigentümer und Bosse des Traditionsunternehmens Phoenix in Hamburg-Harburg mit 3.000 Beschäftigten – weltweit arbeiten bei dem Autozulieferer für Gummiprodukte 9.500 Leute – schnell ihren Widerstand gegen die „feindliche Übernahme“ nach dem Vorbild von Vodafon/Mannesmann durch Continental in Hannover aufgeben. Gegen eine gewisse finanzielle “Entschädigung“, versteht sich.

Dabei hatte der Hannoveraner Reifenfabrikant nie einen Hehl daraus gemacht, dass er mit seinem Harburger Konkurrenten nichts Gutes im Schilde führt: Zusammenlegung der Sparten, in denen beide Unternehmen direkt engagiert sind, um so genannte Synergie-Effekte zu nutzen. Spezial-Sigmente, die lukrativ sind, bleiben erhalten, diejenigen, die nicht direkt in das Conti-Kerngeschäft passen, wie Schallinstallationen bei Pkws, werden verscherbelt. Die Phoenix-Zentrale wird an die Leine verlegt – besser gesagt: Phoenix wird künftig aus Hannover regiert. Schnell stand eine Zahl von 750 Entlassungen im Raum.

Während der Phoenix-Vorstand und -Aufsichtsrat anfangs noch der Öffentlichkeit an der Elbe den Eindruck vermittelten, sich dem Conti-Coup widersetzen zu wollen, feilschten Aktionäre insgeheim schon längst mit den neuen Eignern. So erklärte Hauptaktionär Claas Daun, seine 22,3 Prozent Anteile seien für 50 Millionen Euro zu haben. Als Conti dann das „Angebot“ auf 15 Euro pro Aktie konkretisierte, sahen sich auch Phoenix-Vorstand und Aufsichtsrat veranlasst, den Prozess zu forcieren. „Die Aktionäre haben sich der Einschätzung angeschlossen, wonach es sich bei einem Preis von 15 Euro je Aktie um ein faires Angebot handelt,“ so Vorstandssprecher Meinhard Liebig. Untermauert wird das von Dauns Zynismus: „Phoenix macht doch nicht Sozialpolitik, sondern muss Erträge erwirtschaften.“ IG Chemie-Bezirksleiter Klaus Winkelmann warf Daun – zugleich Aufsichsratschef – daraufhin Verrat an den Interessen der Beschäftigten vor und forderte den Rücktritt des Texitlfabrikanten.

Vorige Woche gelang es Conti, das selbst gesteckte Ziel von 75 Prozent der Aktienmehrheit zu erreichen – mit 75,4 Prozent gerade mal so. Doch nun ist die Frist verlängert worden. Die lokalen Kartellwächter und die Brüsseler EU-Kommissare haben angekündigt, die Fusion wegen der drohenden Marktbeherrschung intensiver prüfen zu wollen. Denn bei einer Übernahme wird allgemein erwartet, dass Phoenix von der Börse genommen und einem Conti-Beherrschungsvertrag unterworfen wird.

Indes will der Betriebsrat „Strategien“ entwickeln, um die Geschehnisse noch zu beeinflussen. „Einmal eine Hauptversammlung zu torpedieren, ist zwar für die Medien ein netter Show-Effekt, er nützt aber der Belegschaft nichts.“ Denn bevor das Kartellamt nicht entschieden habe, „werden sie keine konkreten Pläne veröffentlichen“, sagt Mauch. „Danach sind die Mitgestaltungsmöglichkeiten für den Betriebsrat sehr gering.“

Kai von Appen