: Unruhe im Wartezimmer
Betriebskrankenkassen: Mitglieder von Billigkassen werden von ÄrztInnen diskriminiert. Schuld sei eine Kampagne der Kassenärztlichen Vereinigung. Klage vor Gericht
Ein Streit zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und den Betriebskrankenkassen (BKK) wird jetzt vor Gericht ausgetragen: Der BKK-Landesverband Nord hat beim Sozialgericht beantragt, per einstweiliger Verfügung Flugblätter und Aufkleber der KV aus dem Verkehr zu ziehen, durch welche die Betriebskrankenkassen sich verunglimpft fühlen. Mit der Informationskampagne, welche die KV Anfang Juli gestartet hat, weist diese auf die finanziellen Verluste im Gesundheitssystem durch den Wechsel von PatientInnen zu so genannten Billigkassen hin.
„Billigkassen verursachen Millionenverluste für Hamburgs Ärzte“, steht beispielsweise auf einem Infoblatt für PatientInnen, und „niedrigere Kassenbeiträge können ihre Gesundheit gefährden“ auf einem Plakat, das an Arztpraxen verteilt wurde. Durch diese Kampagne fühlen sich die Betriebskrankenkassen besonders angepiekst. Sie beschweren sich, die ÄrztInnen würden gegen PatientInnen aus Billigkassen aufhetzen – mit der Folge, dass manche bereits wegen ihrer Mitgliedschaft schikaniert, mit abfälligen Bemerkungen belästigt oder ihnen Leistungen verweigert wurden. „Wir werden die Diffamierung der Betriebskrankenkassen und ihrer Versicherten mit allen Mitteln bekämpfen“, sagte Hans-Otto Schurwanz, Vorstand des BKK-Landesvorstandes Nord. Laut Sprecher Thomas Fritsch hätten sich bereits 60 Mitglieder von BKKs über die Gängelung in einer Praxis beschwert.
Die KV hält dagegen, dass ihr bislang nur ein einziger Fall gemeldet worden sei, in dem ein Arzt einen Patienten wegen seiner Kasse abgewiesen habe. Dieser werde umgehend angeschrieben und zur Stellungnahme aufgefordert. Bei einem Verstoß gegen seine Berufspflichten würde er darauf hingewiesen, dass er alle PatientInnen unabhängig von ihrer Krankenkasse zu behandeln hat.
KV-Sprecher Stefan Möllers betont jedoch, dass dem Gesundheitssystem durch den Wechsel von PatientInnen zu Billigkassen viel Geld entzogen wird. Denn diese Kassen zahlen den ÄrztInnen weniger Geld für die Behandlung. Schon durch Einführung der Budgetierung sei den MedizinerInnen schleichend Geld weggenommen worden. Durch den neuen Honorarverteilungsmaßstab, der im Juli in Kraft getreten ist, werde das Geld in den Arztpraxen vermutlich zusätzlich knapper. Auf Dauer, so deshalb auch die Warnung von Walter Plassmann, Bereichsleiter Versorgungsmanagement und Qualität bei der KV, leide darunter die Qualität der medizinischen Versorgnung: „Wenn der ambulanten Versorgung immer weniger Mittel zur Verfügung gestellt werden, kann der gewohnte Service nicht aufrechterhalten bleiben.“ Allein auf diese Abwärtsspirale aufmerksam zu machen, sei das Ziel der Infokampagne der KV. ELKE SPANNER