piwik no script img

Archiv-Artikel

Neapel – Bochum – Rimini

Italien-Deutschland – eine Ausstellung

Ein gelungener Coup: Montags beschimpft der italienische Tourismus-Staatssekretär Stefani die Deutschen als „einfältige, blonde Supernationalisten“, die alljährlich „lärmend über unsere Strände herfallen“. Dienstags findet die Ausstellungs-Pressekonferenz statt. Mittwochs sagt Kanzler Schröder seinen Italienurlaub ab. Freitags tritt Stefani zurück. Samstags eröffnet die Ausstellung auf „Zeche Hannover“ in Bochum. Eine attraktivere, dazu kostenlose Werbung hätte die kleine Schau „Neapel – Bochum – Rimini“ in der italienisch-deutschen Sommerlochposse nicht haben können.

Die Ausstellung im Malakowturm der Bochumer Zeche thematisiert die gegenläufigen Wanderungsbewegungen, die Arbeitsmigration von Süd nach Nord und die Urlaubswelle von Nord nach Süd. In den Jahren nach dem deutsch- italienischen Anwerbeabkommen 1955 folgten zwei Millionen Stiefelbewohner dem Lockruf des „Vita nuova“ nach Germania und schufteten in Bergbau und Industrie. Zur gleichen Zeit fuhren Millionen Deutsche im Sonderzug oder im eigenen Käfer über die Alpen an die Sonnenstrände von Adria und Riviera.

Über 350 Exponate – private Erinnerungsstücke, Urlaubssouvenirs, Fotos, Postkarten – trugen die Ausstellungsmacher zusammen. Erster Arbeitsvertrag und Grubenlampe, Kochutensilien wie Spaghettitopf und Nudelholz, Reisekoffer und Bahnhofswartebank dokumentieren das „Ackern für ein bisschen Wohlstand“, die Arbeits- und Lebensbedingungen der italienischen Arbeiter im Ruhrgebiet. Das Zuglaufschild „Touropa-Fern-Express“ und das Gesellschaftsspiel „Italienreise“, Campinggeschirr und drei Konservendosen „Ravioli“ und die Gondel als Fernsehleuchte stehen für die touristische Invasion des „Komm ein bisschen mit nach Italien“. Eine stilisierte Eisdiele, Herzstück und Emotionsraum der Ausstellung, fokussiert mit Musikbox, einer Vespa anno 1959, dem Filmplakat „Italienreise – Liebe inbegriffen“ das romantische Italienbild der Deutschen in den 50er-, 60er-Jahren.

Was bleibt nach 50 Jahren deutsch-italienischer Annäherung? Die Ausstellung gibt Antworten: viele Italienbilder, Stereotype und Klischeevorstellungen, funktionieren immer noch: feurige Italiener, mediterranes Lebensgefühl, dolce far niente, Romantik. Aber die meisten Arbeitsmigranten sind aus dem Ruhrgebiet längst in ihre Heimat zurückgekehrt, weil die wirtschaftliche Kluft zwischen Deutschland und Italien nicht mehr besteht. GÜNTER ERMLICH

„Neapel – Bochum – Rimini“. Arbeiten in Deutschland, Urlaub in Italien. Bis 26. 10.,So. 11–18 Uhr und Di. 17–20 Uhr, Führungen: Di.–So. nach Anmeldung. Eintritt frei. Westfälisches Industriemuseum Zeche Hannover, Günnigfelder Straße 251, 44793 Bochum, Tel. (02 31) 69 61-2 33, www.zeche-hannover.de