: Geisellose Geiselnahme
Mammutprozess vor dem Oberlandesgericht wegen der Besetzung der SPD-Zentrale 1999 durch Kurden
Die Staatsschutzjustiz gibt sich unermüdlich: Viereinhalb Jahre nach der Besetzung der SPD-Landesgeschäftsstelle durch 20 junge KurdInnen muss sich ab dem 9. September der 48 Jahre alte Kurde Ali Z. vor dem „Hilfssenat 3a“ des Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) verantworten. Der Staatsschutzsenat ist extra wegen der Belastung des zuständigen 3. OLG-Senats durch das anhängige 11. September-Verfahren gegen Abdelghani Mzoudi eingerichtet worden. Dem mutmaßlichen Ex-Funktionär der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) wird Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geiselnahme und Land- und Hausfriedensbruch vorgeworfen.
Es ist nicht das erste Verfahren in dem Komplex: Rund 20 Kurdinnen hatten ma17. Februar 1999 mit der Besetzung der SPD-Zentrale gegen die Verhaftung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan protestieren wollen. Als das Polizei-Sonderkommando das Gebäude stürmte, eskalierte die Situation. SPD Kreisgeschäftsführer Dirk Sielmann wurde aus dem Fenster gehalten, um den Polizeieinsatz zu stoppen.
Fünf Hamburger Landgerichte haben sich inzwischen mit der SPD-Besetzung auseinander gesetzt. Alle Kammern kamen zu dem Schluss, dass eine Geiselnahme nicht geplant gewesen sei und sich bestenfalls als spontane Überreaktion entwickelt habe. Auch Sielmann hatte mehrmals ausgesagt, dass ihm zu keinem Zeitpunkt Schaden angedroht worden sei. In einem Prozess gegen acht Jugendliche verzichtete das Gericht sogar gänzlich auf eine Bestrafung, da es eine Geiselnahme nicht festgestellt habe.
Trotzdem ist Z. von Bundesanwaltschaft (BAW) der „Geiselnahme“ angeklagt worden, die er als PKK-Veranwortlicher der Region „Nordwest“ angeordnet haben soll. Warum sagt BAW-Sprecherin Frauke-Katrin Scheuten nicht: „Das will ich nicht kommentieren.“ Laut Anklage habe man Sielmann mit Verbrennung gedroht. Es sind 31 Prozesstage angesetzt. KAI VON APPEN