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Archiv-Artikel

Kapitalistische Vollkasko-Mentalität

betr.: „Im Streit über Bankenenteignungen geht es nicht um links und rechts. Geisterdiskussion als Ersatzhandlung“ von Ralph Bollmann, taz vom 17. 2. 09, „Wer sich Verbrechen leisten kann“ von Wolfgang Nešković, taz vom 16. 2. 09

Ein wunderbares Bild: Wenn „der Staat den Enteigneten für die Papiere, die ohne sein Eingreifen überhaupt nichts mehr wert wären, sogar noch Geld bezahlt. Wer das als Sozialismus bezeichnet, der müsste Feuerwehrleute, die bei einem brennenden Haus die Tür einschlagen, für heimliche Hausbesetzer halten.“ (Ralph Bollmann) Es fehlt aber der Schluss: dass nämlich in unserer Krise von den Feuerwehrleuten noch verlangt wird, nach Löschen des Brandes das Haus wieder aufzubauen, Miete zu zahlen und sich anschließend ohne Forderungen aus dem Staub zu machen! Auch beim nächsten Bild fehlt der Schluss: Die Vollkasko-Mentalität unserer Kapitalisten geht nämlich von Schadensregulierung ohne Selbstbeteiligung und ohne vorherige Beitragszahlung aus und will dann auch noch die Rückerstattung der gar nicht gezahlten Prämien.

Auch in Wolfgang Nešković hervorragendem Beitrag fehlt die letzte Konsequenz: Nešković stellt zwar ganz richtig fest, dass die personell und sachlich unzureichende Ausstattung der Gerichte für die prekäre Situation, die er beschreibt, verantwortlich ist, aber er fragt nicht nach den Ursachen für diese unzureichende Ausstattung. Dabei bin ich sicher, dass er diese Ursachen kennt: dass nämlich die wirtschaftlich Mächtigen in Umkehrung des für das Steueraufkommen einst gültigen Leistungsprinzips der progressiven Besteuerung den Staat und seine Institutionen insbesondere in den vergangenen beiden Jahrzehnten erfolgreich finanziell ausgetrocknet haben.

In diesem Zusammenhang wäre auch die vor allem personelle Unterausstattung der Finanzämter zu erwähnen, wo der marginale Nutzen der Einstellung eines zusätzlichen (möglichst unbestechlichen) Steuerfahnders die marginalen Kosten für dessen Gehalt bei Weitem übersteigt. ORTWIN ZEITLINGER, Berlin

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