VOLKSWIRTSCHAFTLICH IST GOOGLE JEDEN PREIS WERT, AN DER BÖRSE NICHT
: Wissen als wertvollstes Gut

Die Zahlen sehen aus, als habe einer mal wieder zu viel Koks in der Birne gehabt. Die beiden Gründer der Internet-Suchmaschine Google bieten 24,6 Millionen Aktien ihres Unternehmens zum Stückpreis von mindestens 108 Dollar an. Damit hätten sie auf einen Schlag eineinhalb Milliarden Dollar ins Trockene gebracht. Wenn alles glatt läuft, sind es sogar drei Milliarden, und gut gelaunt schätzen sie den gesamten Börsenwert ihrer Firma auf die runde Summe von 36 Milliarden Dollar.

Vor fünf Jahren, als sich in den Chill-out-Lounges die lässigen Jungs in Jeans und Sakko vom Stress ihrer New Economy erholen mussten, wären solche Rechnungen ganz normal gewesen. Jeder war damals besoffen von dem viel zu vielen Geld, das auf der Straße lag. Aber diese Zahlen sind von heute, die Schwindelblase des ersten Internetbooms ist längst zerplatzt, und mit bloßen Versprechungen lässt sich kein Anleger mehr verführen. Heute drücken diese Zahlen in den Begriffen des Kapitalmarktes aus, was er tatsächlich wert ist, der wichtigste Rohstoff der modernen Industrie: der Zugang zum Wissen.

Wenn die beiden Google-Gründer wirklich so clever sind, wie sie auftreten, legen sie ihre Milliarden in der eigenen Firma an. Der Name ist zum Wort der Umgangssprache geworden. Wir googeln nach allem, was wir wissen wollen, denn kein Spam, kein Scheckkartenbetrug und kein Killervirus haben verhindert, dass das Internet sein wichtigstes Versprechen bisher gehalten hat: Information aus jedem denkbaren Gebiet, die sonst nur Experten vorbehalten war, ist für jeden Benutzer eines Computers zugänglich. Man muss sie nur suchen. Und weil Google genau diese Dienstleistung anbietet, kann der volkswirtschaftliche Wert seines Kapitals gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Der Börse allerdings kann das völlig egal sein. Dort interessiert nicht der volkswirtschaftliche Nutzen, sondern der Tagesgewinn in Geld. Die Google-Aktie ist ein Spekulationsobjekt wie jede andere auch. Wahrscheinlich kein schlechtes, aber Vorsicht ist dennoch geboten. Googeln kostet nichts, und so schnell wird sich das nicht ändern. Geld einnehmen kann das Unternehmen heute nur, weil es Werbeplatz auf seinen Trefferlisten verkauft. Ob dieses Geschäft auf Dauer profitabel ist, darf bezweifelt werden. Im vergangenen Halbjahr sind bescheidene 135 Millionen Dollar in die Betriebskasse geflossen. Das klingt dann doch eher nach dem Katzenjammer, der schon nach der ersten Party der New Economy die Laune verdorben hat. Bevor man eine Google-Aktie kauft, sollte man erst mal nachschauen, was damals schief gelaufen ist – am besten bei Google. NIKLAUS HABLÜTZEL