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Archiv-Artikel

DER WARSCHAUER AUFSTAND HAT EINE BEDEUTUNG FÜR DIE DEUTSCHEN Der Wert der Freiheit

Am 1. August 1944 stellte sich eine Hand voll schlecht ausgebildeter und noch schlechter bewaffneter Zivilisten den Nazis entgegen und versuchte, Warschau im offenen Kampf mit Maschinenpistolen, Granaten und Benzinkanistern zu befreien. Mehr als 60 Tage, also länger als der Verteidigungskampf der französischen Armee, dauerte der ungleiche Kampf gegen die hochgerüstete Wehrmacht und SS-Einheiten, gegen Flugzeuge und Panzer. Am Ende wurde Warschau zerstört. Auf polnischer Seite kostete der Aufstand etwa 200.000 Menschenleben. Keine andere Schlacht des Zweiten Weltkriegs hat mehr Opfer gefordert.

In Polen gehört der Warschauer Aufstand zu den wichtigsten Ereignissen für die Selbstbehauptung und Prägung der nationalen Identität ganzer Generationen. In Deutschland dagegen ist das Wissen über den Warschauer Aufstand bis heute verschwindend gering. In der alten Bundesrepublik lag das am Desinteresse an solchen Ereignissen und fehlender Information zur polnischen Geschichte. In Ostdeutschland betrieb die kommunistische Propaganda eine gezielte Desinformation und nannte den Aufstand „faschistisch“.

Ein weiterer Grund für das deutsche Desinteresse am Warschauer Aufstand ist womöglich, dass ein Freiheitskampf unter Einsatz des eigenen Lebens in Polen und in Deutschland einen sehr unterschiedlichen Wert hat. In einem Deutsche-Welle-Interview sagte mir unlängst kein Geringerer als Joachim Gauck: „Deutsche sind ein bisschen gehemmt, eine wirklich tiefe Freiheitsliebe, die auch das Leben hintanstellt, und auch ihre eigenen Freiheitstraditionen ins Zentrum zu rücken. Und so hilft mir das sehr und meiner Argumentation für die Rolle der Freiheit und des Freiheitskampfes, dass wir in diesem Jahr etwas deutlicher diesen Aufstand wahrnehmen.“ Dazu beitragen wird womöglich auch der bevorstehende Besuch des Bundeskanzlers, der zu den zentralen Feierlichkeiten nach Warschau eingeladen wurde. Ob das aber medial interessant genug sein und verwertet wird, wird sich erst zeigen. ANDRZEJ STACH

Polnischer Journalist, lebt seit 20 Jahren in Berlin