piwik no script img

Archiv-Artikel

„Die Künstler schreiben die Preise vor“

Die Konzertveranstalter machen im Gegensatz zu den Herstellern von Tonträgern seit Jahren Gewinne. Am Donnerstag wird sich die Konzertveranstalter-Branche beim Live Entertainment Award in Hamburg feiern. Verbandschef Jens Michow über Konzerte, Krisen und die Interessen der Rolling Stones

DER LEA 2009

Obwohl der Live Entertainment Award (LEA) die Leute hinter den Konzert- und Showbühnen würdigt, werden auch in diesem Jahre diverse Promis die Veranstaltung prägen. Zur Verleihung der Preise am Donnerstag Abend in der Hamburger Color Line Arena haben sich etwa Pop-Musikerin Kim Wilde, Rapper Sido, die Band Silbermond und Boxer Wladimir Klitschko angekündigt. Moderiert wird die Show von Götz Alsmann. Erwartet werden bei der nicht-öffentlichen Veranstaltung rund 1.000 Gäste. Der LEA wird vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft, dem Verband der Deutschen Konzertdirektionen und dem Branchenmagazin „musikmarkt“ in insgesamt 17 Kategorien verliehen. kli

INTERVIEW KLAUS IRLER

taz: Herr Michow, Sie verweisen als Vorsitzender des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft gerne darauf, dass die Konzertveranstalter im Gegensatz zu den Produzenten von Tonträgern Zuwächse erwirtschaften. Woran liegt das?

Jens Michow: Der Vorteil der Veranstaltungswirtschaft besteht darin, dass wir ein Kopierschutzsystem haben. Das ist aus Fleisch und Blut, steht vor der Tür und achtet darauf, dass die Leute nicht ohne Ticket in die Halle kommen. Die Tonträgerwirtschaft dagegen kann nicht sicher stellen, dass jeder, der ihre Produkte nutzt, auch dafür bezahlt. Außerdem stellen wir fest, dass Menschen das Live-Erlebnis offenbar mehr goutieren als die Konserve.

Was erstaunt: Die Preise für Konzerte sind in den letzten Jahren außerordentlich gestiegen.

Das ist richtig. Wenn heute ein Konzert mit Metallica 280 Euro kostet, muss man sehen, dass vor 15 Jahren einmal die Spitze bei 100 Mark für die Rolling Stones lag. Trotzdem gehen heute nicht weniger Menschen in Konzerte.

Steigen also die Umsätze aufgrund höherer Ticketpreise bei gleich bleibenden Besucherzahlen?

Nein, die Besucherzahlen sind auch gewachsen. Das Alterspektrum des Publikums ist größer geworden. Die Kids haben heute mit 15 schon das Geld, um in Konzerte zu gehen. Aber auch nach oben hin ist das Spektrum gewachsen: Vor 35 Jahren hätte es keine Leute über 50 gegeben, die ein Rockkonzert besuchen. Heute sind Leute über 50 die interessanteste Käuferschicht für Rock- und Popkonzerte.

Was möglicher Weise auch daran liegt, dass die Stars immer älter werden.

Das kommt noch hinzu. Der älteste ist 105: Jopi Heesters.

Werden wir in Zukunft immer mehr Rockbands im Rentenalter auf den Bühnen erleben?

Man fragt sich, ob die Stars, die heute auf den Markt kommen, in 40 Jahren noch genauso unterwegs sind, wie die Recken der 60er Jahre heute. Ich glaube, es wird genau das Gleiche sein, weil das Publikum einer Musikentwicklung, die es in jungen Jahren kennen gelernt hat, treu bleibt.

Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise auf die Veranstaltungsbranche aus?

Die Wirtschaftskrise ist in unserer Branche noch nicht angekommen. Wir sollten aber sehr genau schauen, was in den nächsten zehn Monaten passiert, obwohl wir wissen, dass derartige Krisen nicht schwerpunktmäßig die Live-Entertainment-Branche heimsuchen. Man hat bei anderen Krisen wie etwa dem Golfkrieg gesehen: Je mehr schlechte Nachrichten im Fernsehen kamen, desto froher waren die Leute, die Glotze ausschalten und in ein Konzert gehen zu können. Trotzdem ist es sehr wahrscheinlich, dass im nächsten halben Jahr das Geld für teuere Tickets knapper werden wird.

Warum sind Konzerte von Topstars eigentlich so teuer geworden?

Weil die Künstler über die Tonträger nichts mehr verdienen und das Live-Entertainment ihre zentrale Einnahmequelle geworden ist. Und weil sie vorschreiben, wie teuer eine Karte sein soll. Die Künstler versuchen, das Maximale aus dem Live-Entertainment-Bereich rauszuholen.

Wie finden Sie das als Veranstalter?

Als Veranstalter gilt es hier in Zukunft auch mal „Nein“ zu sagen. Ein Beispiel, wo das passiert ist, sind die Stones. Die Gewinnmarge der Veranstalter ist da ja schon immer vergleichsweise gering gewesen. Aber trotzdem musste veranstalterseits immer noch der Ausverkauf garantiert werden. Da haben die Veranstalter bei den letzten Tourneen einfach ,nein‘ gesagt und die Konzerte nur noch auf Provisionsbasis arrangiert.

Sind die Stones die Zumwinkels der Branche?

Das keineswegs. Sie sind einfach nur clevere Kaufleute. Mick Jagger geht nach einem Zwei-Stunden-Konzert von der Bühne und sagt: „Wie war der Umsatz im Merchandising?“ Vor allem die internationalen Künstler versuchen grundsätzlich, den maximalen Profit aus einer Veranstaltung herauszuholen. Es sind wir Veranstalter, die sagen müssen: Wir kennen den Markt sehr genau und wir sagen Euch: Diese Eintrittspreise macht das Publikum nicht mehr mit.

Ist die CD nur noch das Promotionsinstrument für die Tour?

Absolut. Früher machte man Konzerte, um den Tonträger zu promoten, heute ist es anders herum. Wir haben heute Künstler, die ihre Tonträger nicht mehr verkaufen, sondern kostenlos zum Download ins Netz stellen, weil sie wissen, dass das ihre Konzerte noch voller macht.

Müssten dann nicht die Konzertveranstalter die Tonträgerindustrie subventionieren?

Die Tonträger-Hersteller haben schnell geschaltet und gesagt: Wenn das so ist, dann machen wir jetzt auch Live-Entertainment. Mittlerweile sagen die Veranstalter: Das können wir andersherum auch. Die ersten Veranstalter bauen nun ihrerseits Labels auf.

Am kommenden Donnerstag werden in Hamburg im Rahmen des Live Entertainment Award (LEA) Preise vergeben. Wer braucht den LEA und wozu?

Beim LEA werden nicht die ausübenden Künstler geehrt, sondern die Leute, die hinter den Künstlern stehen – die Manager, die Agenten, die Konzertveranstalter, die Tourneeveranstalter. Wir vergeben beispielsweise Preise für Spielstätten oder für die beste Kooperation zwischen Veranstaltern und Tonträgerfirmen. Es geht darum, Leute, die Veranstaltungen durchführen, ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

Was wollen Sie damit als Verband erreichen?

Wir wollen die kulturwirtschaftliche Bedeutung der Veranstaltungswirtschaft aufzeigen. Dabei geht es uns nicht um finanzielle Unterstützung aus dem Staatshaushalt sondern darum, dass die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen des Wirtschaftszweigs in Teilbereichen äußerst hinderlich sind. Da gibt es zum Beispiel nach wie vor das Problem der Ausländersteuer, die zum Beispiel in den Niederlanden bereits abgeschafft wurde, erhebliche Probleme mit der Umsatzsteuerbefreiung von Kulturbetrieben und auch bei der Künstlersozialabgabe ist noch einiges zu justieren. Leider wird Deutschland aufgrund seiner gesetzlichen Rahmenbedingungen immer unattraktiver für ausländische Tourneeveranstalter. Über diese Themen kann man anlässlich des LEA sehr gut mit Politikern diskutieren.

Der LEA ist eine sehr glamouröse Art, sich zu äußern. Was sagen sie zu dem Vorwurf der Selbstbeweihräucherung?

Den kann ich nicht verstehen. Es gibt überall Preise, mit denen eine Branche versucht, herausragende Leistungen ins Licht der Öffentlichkeit zu stellen. Und wenn sie dann möchten, dass Sponsoren eine Veranstaltung finanzieren, dann müssen sie auch etwas bieten.

Fotohinweis:JENS MICHOW, 58, ist Rechtsanwalt, Vorsitzender des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft und Geschäftsführer des Live Entertainment Awards