Grüne finden Unigebühren immer toller

Bündnis 90/Grüne, Miterfinder des Gebührenverbots im Hochschulgesetz, rücken von ihrer Position ab. Grüne Prominenz ist für Studiengebühren, die nach dem Examen erhoben werden. Junggrüne weiter strikte Gebührengegner

BERLIN taz ■ Die Grünen geben ihre absolute Ablehnung von Studiengebühren auf. Vorsitzender Reinhard Bütikofer sagte der taz: „Für den Fall, dass das allgemeine Verbot fällt, haben wir ein Modell – und das sind Studienkonten.“ Auch die bildungspolitische Sprecherin Grietje Bettin sieht eine breite grüne Akzeptanz für Konten, bei denen nach einer Studienzeit von rund 14 Semestern Gebühren fällig werden.

Bettin geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie könne sich auch echte Studiengebühren vorstellen, sagte sie der taz. „Aber erst nach einer langen Kette von Reformen und wenn garantiert ist, dass sie sozial abgefedert sind.“

So genannte nachgelagerte Gebühren, die erst nach dem Studium fällig werden, stünden derzeit jedoch nicht auf der Agenda. Der hessische Landesvorsitzende Matthias Berninger fordert diese Form des Bezahlstudiums. Parteichef Reinhard Bütikofer rüffelte den Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium: „Das ist eine Minderheitenmeinung. Herr Berninger steht nicht für die Grünen.“

Das streitet Berninger nicht ab. Allerdings warnte er davor, sich mit einem bequemen Nein zurückzulehnen. „Wir dürfen die CDU nicht allein wursteln lassen“, sagte er zur taz. Man müsse jetzt über Mindeststandards diskutieren, sonst hätte man nichts in der Hand, wenn die Länder anfingen, Gebühren einzuführen. Dass es so kommt, ist für Berninger ausgemachte Sache – und er hat mächtige Verbündete in der Partei: Den Exvorsitzenden Fritz Kuhn und den heimlichen, Joschka Fischer.

Der Länderrat hatte im Mai Berningers Modell abgelehnt und stattdessen beschlossen, dass das Erststudium kostenlos bleiben soll. Studienkonten tauchten damals als Vorüberlegung für spätere Debatten auf. Sie sollen ein gebührenfreies Regelstudium garantieren, wer zusätzliche Kurse besucht, muss diese bezahlen.

Drei Monate später ist diese Hintertür zum Ausweg für die Gebührengegner geworden. „Leider gab es in letzter Zeit eine Wendung zu einer eher wohlwollenden Betrachtung von Studienkonten“, sagte Anne Spiegel von der Grünen Jugend. Die Junggrünen sehen Konten als Bezahlstudium light und weisen jegliche materielle Druckmittel zurück. Gleichauf sehen sie sich mit den Berliner Parteikollegen. „Wir sollten jetzt keine Kaffeesatzleserei betreiben“, warnt deren Vorsitzender Till Heyer-Stuffer im Hinblick auf die Spekulationen über die Aufhebung des Verbots. Das Verfassungsgericht entscheidet Ende des Jahres.

Die innergrüne Frontlinie verläuft zwischen jenen, die erwarten, dass das Gebührenverbot fällt, und denen, die glauben, dass es bleibt. Die Gruppe der Zweifler wächst. Fraktionschefin Krista Sager, die beim Länderrat unisono mit der Grünen Jugend gegen Gebühren wetterte, plädierte dafür, erste Vorkehrungen zu treffen. „Wir bilden nur noch einen kleinen kritischen Block“, beklagt Spiegel. Die Chancen, dass sich dies ändere, stünden schlecht. ANNA LEHMANN

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