: Lettow-Vorbeck konvertiert
Die ehemalige Kaserne in Jenfeld soll das nächste Spielfeld für das Senatskonzept „wachsende Stadt“ werden. Zwischen den Fraktionen zeichnet sich ein Streit um die Dichte der neuen Siedlung und den Eigentumsanteil ab
von Gernot Knödler
Der Schmuck an den Wohnblöcken der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld ist nicht jedermanns Sache. Den Eingang zum ehemaligen Unteroffiziersheim ziert Marschgepäck in Terrakotta-Ausführung, den Eingang zum Offizierskasino überwölben Fahnen und Kanonen sowie der Spruch „Gott mit uns“, und in den Speisesaal locken Stiel-Handgranaten und eine Gasmaske. Was damit werden soll, darüber muss sich demnächst die Bezirksversammlung Wandsbek den Kopf zerbrechen, denn morgen will der Stadtplanungsausschuss der Bürgerschaft dem Senat Beine machen: Seitdem die letzten Soldaten das Gelände vor zehn Jahren verlassen haben, steht der größte Teil der Gebäude leer. Das Areal schreit geradezu danach, im Sinne des Senatskonzepts „wachsende Stadt“ verwurstet zu werden, gehört aber noch dem Bund.
Auf der Tagesordnung des Ausschusses stehen ein Antrag der CDU-Fraktion und zwei Folgeanträge von GAL und SPD. Dabei favorisieren CDU und SPD „familiengerechte Wohnlösungen schwerpunktmäßig für Eigentumsmaßnahmen“. Die Grundstücke sollen laut CDU-Antrag „kleinteilig und möglichst direkt an Familien mit Kindern vergeben werden“ sowie an Baugemeinschaften.
Für den GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Claudius Lieven klingt das so, als wolle die CDU im Wesentlichen Einfamilien- oder Reihenhäuser auf das Gelände setzen. Aus Sicht des Stadtentwicklungsexperten wäre das ein Unding. „Man muss eine gewisse Verdichtung bringen, um dem Rentabilitätserfordernis zu entsprechen“, sagt Lieven. „Das ist keine grüne Wiese, wo man bei null anfängt.“
Die GAL macht sich für eine mittlere Verdichtung und „eine marktgerechte Mischung“ von Einzeleigentum, Baugemeinschaften und genossenschaftlichem Eigentum stark. Sie fordert eine flächensparende Bauweise und überhaupt die ökologische Optimierung der künftigen Siedlung, während im CDU-Antrag allgemein von „Nachhaltigkeitskriterien“ die Rede ist, die in einen städtebaulichen Ideenwettbewerb zu dem Kasernengelände einfließen sollen.
Die SPD will den Senat überdies eruieren lassen, „welche Nutzungsmöglichkeiten für die leer stehenden Kasernengebäude realisierbar sind“. Es sei zu prüfen, inwieweit die Denkmalwürdigkeit von Teilen der Kaserne zu planerischen Einschränkungen führen werde. Nach Informationen der Sozialdemokraten plant das Denkmalschutzamt, einen von zwei Kasernenhöfen unter Schutz zu stellen.
Es handelt sich um breite, vierstöckige Gebäude mit durch Streifen abgesetztem Ziegelschmuck über den Eingängen, in denen Terrakotta-Vignetten mit den Halbreliefs kaiserlicher Kolonialoffiziere mit Schnurrbart und Buschhut sitzen. Bei den benachbarten Häusern sind es preußische Offiziere mit Dreispitz oder detailgetreu wiedergegebene Ausrüstungsgegenstände – von der Feldflasche bis zur Pistole 08. Das ist alles ganz geschmackvoll arrangiert, aber von der Brisanz der umstrittenen Askari-Reliefs, die einmal am Kasernentor aufgestellt waren und Kernstück eines „Tansania-Parks“ am Kasernenrand hatten werden sollen. Daraus wurde ein kleiner Skandal und eine eingezäunte Gedenkstätte, die die meiste Zeit fest verschlossen ist.
Der gesamte Vorkriegsteil der Kaserne vermittelt von der Anlage her den Eindruck ruhiger Großzügigkeit. Die Fassaden und den Rhythmus der Anlage nicht zu zerstören und trotzdem ein Wohn- und Gewerbeviertel daraus zu machen, darüber müssten sich unter den Vorgaben des Denkmalschutzes die Stadtplaner und Architekten Gedanken machen. Dass Kasernengebäude grundsätzlich in Wohnhäuser umgewandelt werden können, zeigen Beispiele wie das Vauban-Viertel in Freiburg oder das Projekt „Klosterforst“ in Itzehoe. Beide können Anregungen für die Kombination mit unterschiedlichsten Neubauten bieten.
Die Jenfelder Stadtteilkonferenz will mindestens ein Kasernengebäude erhalten und in ein Gründerzentrum umbauen lassen. Sie plädiert für ein gemischtes Viertel, in dem es möglich sein soll, zu wohnen und zu arbeiten, für eine kleinteilige Parzellierung und familienfreundliche Grundstückspreise, für eine ökologische Bauweise und viele Grünflächen. Sie wünscht sich ethnische Nachbarschaften und in zentraler Lage einen religiösen Ort der Begegnung. „In der Architektur soll sich die kulturelle Vielfalt Jenfelds widerspiegeln“, schrieb sie Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (CDU). Dann müssten sich die kaiserlichen Kolonialoffiziere das multikulturelle Treiben auf einem ehemaligen Nazi-Kasernenhof ansehen.