Palästinenser im Hungerstreik

Sicherheitshäftlinge in israelischen Gefängnissen verweigern die Nahrung. Sie wollen Hafterleichterungen durchsetzen. Die Gefängnisbehörde schließt Verhandlungen aus. Demnächst droht Zwangsernährung

JERUSALEM taz ■ 1.500 palästinensische Sicherheitshäftlinge befinden sich seit gestern im unbefristeten Hungerstreik. In Jerusalem wurden aus Sorge vor Anschlägen oder Unruhen im Zusammenhang mit dem Streik erhöhte Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Gefängnisbehörde reagierte mit ersten Strafmaßnahmen und ließ alle elektronischen Geräte der Streikenden, darunter Fernseher und Wasserkocher, beschlagnahmen. Die Geräte sollen auch nach einem Ende des Streiks nicht wieder ausgehändigt werden. Ferner wurden für die Dauer des Streiks Besuche sowie Zeitungen und Zigaretten verboten. Verhandlungen schloss die Gefängnisbehörde aus. Bei den Sicherheitshäftlingen handelt es sich um Palästinenser, die sich am gewaltsamen Kampf gegen Israel beteiligt haben.

Ginge es nach Zachi Hanegbi, Minister für innere Sicherheit, könnten die Inhaftierten „tagelang, einen Monat oder sich sogar zu Tode hungern“. Allerdings wurde das medizinische Personal aufgestockt. Die Streikenden werden, offiziellen Informationen zufolge, täglich gewogen. Je nach ärztlichem Gutachten ist die Zwangsernährung mit Infusionen und Sonden geplant.

Der Zugang zu öffentlichen Telefonen, die Beseitigung von Glasscheiben in den Besuchsräumen sowie ein Ende der Leibesvisitationen sind die drei für Israel problematischen Forderungen, die, „wenn wir sie erfüllten, den Terroristen die Organisation von Anschlägen erleichtern würden“, so Ian Domnitz, Sprecher der Gefängnisbehörden.

Bereits in der vergangenen Woche berief Domnitz eine Pressekonferenz zum geplanten Hungerstreik ein. Eine ungewöhnliche Maßnahme, die zeigt, dass die Gefängnisbehörden mit einer Zuspitzung der Konfrontation rechnen. Domnitz zog eine Verbindung des Streiks zu den innerpalästinensischen Auseinandersetzungen und dem Vorwurf der Korruption. Unter den Häftlingen bestünde Frustration über die eigene Führung, da seit Monaten die „Gehälter“ ausstünden, die die Familien der Sicherheitsgefangenen vom palästinensischen Ministerium für Häftlingsangelegenheiten empfangen. Dabei ginge es um Summen zwischen „700 und 4.000 Schekel [140 und 800 Euro] monatlich“, berichtete Domnitz. Die Zahlungen von insgesamt „8,2 Millionen US-Dollar monatlich sind auf nur noch 750.000 US-Dollar zurückgegangen“.

Mahmud Siadi, Direktor des palästinensischen „Komitees der Familien politischer Gefangener“, stritt auf telefonische Anfrage einen Zusammenhang zu den ausbleibenden Zahlungen ab. „Es gibt Unregelmäßigkeiten“, gestand er ein, bei dem Streik ginge es indes ausschließlich um die „internationalen Rechte der Häftlinge“, darunter vor allem die Erlaubnis, „regelmäßig Besuche zu empfangen, um die medizinische Versorgung und das Ende der Leibesvisitationen“. Siadi, dessen Sohn zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde, vermutet, dass sich derzeit 7.000 politische Gefangene in israelischen Anstalten sitzen. Davon „haben 4.000 den Streik aufgenommen, die restlichen werden sich bis Mittwoch anschließen“. Israelischen Informationen zufolge liegt die Gesamtzahl der Sicherheitshäftlinge bei 3.800.SUSANNE KNAUL

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