„Die Signalwirkung wäre schlecht“

Die Absenkung des Spitzensteuersatzes soll nicht rückgängig gemacht werden, fordert DIW-Steuerexperte Stefan Bach

taz: Der Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer soll im nächsten Jahr nicht wie geplant von 45 auf 42 Prozent abgesenkt werden, fordern jetzt Politiker sowohl von SPD, CDU und Grünen – auch weil sich die Kluft in der Gesellschaft zwischen Reich und Arm laut neuer Statistiken verbreitert hat. Halten Sie diese Forderung für sinnvoll ?

Stefan Bach: Die Verteilungswirkung dieser Nichtabsenkung dürfte ja relativ gering sein.

Immerhin 2,5 Milliarden Euro hätte man dadurch im Haushalt zusätzlich zur Verfügung. Das ist nicht wenig, wenn man bedenkt, dass mit den Hartz-Reformen ursprünglich mal drei Milliarden Euro eingespart werden sollten.

Das mag sein. Aber man muss bedenken, dass die Politik die Steuersenkung schon vor vier Jahren beschlossen hat und daraufhin ja auch Investitions- und Finanzierungsentscheidungen von Unternehmen oder auch Privatanlegern getroffen wurden. Das würde man jetzt durcheinander bringen, die Signalwirkung nach außen wäre schlecht. Vom Gesichtspunkt der Investitions- und Standortbedingungen wäre es daher nicht sinnvoll, den Spitzensteuersatz doch nicht abzusenken. Die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft könnten hoch sein, mehr Verteilungsgerechtigkeit soll man eher an anderen Stellen des Steuersystems suchen, etwa bei der Erbschaftsteuer.

Gegner einer Absenkung sagen, ein Spitzensteuersatz von 42 Prozent wäre im internationalen Vergleich ohnehin relativ niedrig.

Diese Vergleiche sind so eine Sache. Wenn Sie den Steuersatz mit den osteuropäischen Ländern vergleichen, sind auch 42 Prozent ziemlich hoch. Zumal mit dem Spitzensteuersatz ja auch Kapitaleinkünfte besteuert werden, ein hoher Spitzensteuersatz begünstigt also die Kapitalflucht. Außerdem gibt es ein Problem der Ungleichbehandlung von Mittelstand und Aktiengesellschaften. Die Aktiengesellschaften zahlen Körperschaftssteuer, der Mittelstand zumeist Einkommensteuer. Die Steuersätze dürfen da nicht so weit auseinander klaffen und auch deswegen, so kann man argumentieren, sollte der Spitzensteuersatz abgesenkt werden.

Gewerkschafter jedoch weisen immer wieder daraufhin, dass im Inland kaum neue Arbeitsplätze entstanden sind, obwohl die Belastungen von Unternehmen ständig verringert wurden.

Solche kausalen Zusammenhänge zwischen niedriger Unternehmensbelastung und Investitionsentscheidungen sind in der Tat schwer herzustellen. Aber die Steuerbelastung spielt bei diesen Entscheidungen immer eine Rolle, wenn auch nicht die einzige. Vielleicht wäre die Arbeitslosigkeit ja noch höher, wenn die Entlastungen für die Unternehmen nicht gekommen wären.

INTERVIEW: BARBARA DRIBBUSCH