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Archiv-Artikel

Leistet den Offenbarungseid!

betr.: „Was ist jetzt noch links?“, taz vom 2. 3. 09

Die Rechten sagen: Der Staat sei zu blöd für die Ökonomie. Er müsse sie weiterhin den Freibeutern und ihren Strichjungen überlassen. Aber zahlen können wir?

Anders gefragt: Warum sollen wir eine Suppe auslöffeln, die wir nicht eingebrockt haben? Warum sollen wir Steuerzahler, und damit meine ich jetzt nur (!) meinen Freund, meinen Bruder, seine Frau, seine Kinder, Enkel und mich, „Bankanleihen, Zertifikate, Lebensversicherungen“ retten, die wir nicht besitzen, weil wir uns diesen Hokuspokus gar nicht leisten können? Wenn mein Bruder sein Haus nicht mehr abzahlen kann, wird er es verlieren. Da ist kein Staat, den er anbetteln oder mit „Sachzwängen“ drohen kann. Warum also sollen wir künftige Steuerzahlungen, die nur vielleicht möglich sind, für das Hab und Gut anderer Leute verpfänden, indem wir ungedeckte Blankoschecks unterschreiben? Warum sollen wir als willenlose Gehorsamsautomaten einer mysteriösen Schicksalsgemeinschaft und ihrer kapitalistischen „Naturgesetze“ (?) funktionieren? Warum sollen wir jetzt ganz außer Acht lassen, dass auch die Krise ein Verteilungskampf ist, und dass wir, du und ich, mit Phrasendrescherei und im Rausch einer Wir-sitzen-alle-in-einem-Boot-Ideologie nur untergehen können?

Ulrike Herrmann in der taz: „Soll der Staat die Banken retten? Die Antwort kann nur lauten: Ja.“ Ja, wenn es so ist. Wenn andere Wege gar nicht mehr möglich sind, dann folgt eurer fatalistischen Philosophie, aber nennt das bitte nicht „Ökonomie“. Und nicht „Politik“. Ich verlange von den Verantwortlichen: Leistet den Offenbarungseid. Veröffentlicht die noch geheimen Bilanzen. Legt die Karten auf den Tisch. Stattdessen verlangt ihr heute Milliarden und morgen Milliarden und übermorgen Milliarden, weil wir angeblich zahlen müssen, angeblich gar nicht mehr anders können. Aber damit sagt ihr doch auch, dass ihr uns zu Gefangenen eures Wahns, zu Geiseln eurer Gier gemacht habt. Das war kriminell. Und was ihr jetzt macht, ist Erpressung. Und ein betrügerisches Pokerspiel.

JÜRGEN KLUZIK, Berlin