OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Nach seinen Publikumserfolgen „Good Bye, Lenin!“ und „Das Leben ist eine Baustelle“ gehört Wolfgang Becker zweifellos zu den erfolgreicheren Regisseuren deutscher Provenienz. Im Lichtblick-Kino kann man nun wieder Beckers Erstling „Schmetterlinge“ bestaunen, seinen 1987 entstandenen Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Darin entwirft Becker das Psychogramm des emotional zurückgebliebenen Andi, eines arbeitlosen Jugendlichen, der als Zeuge gesehen haben will, wie die kleine Kaja in einem Industriekanal ertrunken ist. Doch die verschachtelten Rückblenden, mit denen Andis Erinnerungen illustriert werden, sprechen eine andere Sprache und lassen Zweifel an seiner Darstellung der Ereignisse aufkommen. Denn Becker filmt die scheinbar unschuldigen Dinge nicht harmlos: Andi und Kaja beim Eislutschen, scheinbar zufällige Berührungen, der Blick auf den Schlüpfer des Kindes – die Inszenierung von Gesten, Blickrichtungen und Großaufnahmen zielt stets auf die Irritation des Betrachters ab und schafft eine verstörende Atmosphäre von latenter Gewalt und Erotik …
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Längst schon sind sie Medienstars sondergleichen, der skurrile Petterson und sein kindlicher Kater Findus. Klar, dass nach dem riesigen Erfolg ihres ersten Kinofilms ein zweiter folgte – der Siegeszug der Figuren von Sven Nordqvist scheint nicht zu stoppen. Zumal „Neues von Petterson & Findus“ nach genau dem gleichen Muster gestrickt ist wie sein Vorgänger: In charmantem Bilderbuchstil erzählt Regisseur Kaminski viele kleine Episoden. Dabei steht die Menschlichkeit im Vordergrund: Reinlichkeitsfanatiker, Großmäuler, Jäger und Nörgler haben im Petterson-&-Findus-Universum keinen Platz. Das ist lieb, politisch korrekt und vollkommen harmlos.
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Seine einzige Regiearbeit inszenierte der britische Schauspieler Charles Laughton als einen Albtraum voller schwarzer Poesie, eine Kreuzung aus Märchen und Film noir: In „The Night of the Hunter“ (Die Nacht des Jägers, 1955) verkörpert Robert Mitchum einen falschen Prediger, der an das Geld eines verstorbenen ehemaligen Zellengenossen herankommen will. Dazu beschwatzt und ehelicht er zunächst die Witwe (Shelley Winters), die jedoch von gar nichts weiß und ihr Leben deshalb als Wasserleiche beschließen muss, deren Haar in einer absolut halluzinatorischen Szene in der Strömung zu flattern scheint. Alsbald wendet der gnadenlose Psychopath seine Aufmerksamkeit den beiden Kindern zu, die sich in eine von allerlei Tieren bevölkerte Märchenlandschaft flüchten. Robert Mitchums „Kampf“ der Hände (er hat sich „Love“ und „Hate“ auf die Fingerknöchel tätowieren lassen), seine stetig drohende Präsenz durch einen kraftvollen Gesang während der Verfolgungsszenen (in denen es nicht auf Geschwindigkeit ankommt – er wird die Kinder unausweichlich finden), und seine abschließende Konfrontation mit der freundlich-resoluten Lillian Gish gehören zu den bizarren Höhepunkten der amerikanischen Kinogeschichte. LARS PENNING