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Archiv-Artikel

Deutsche Riesen

Im kleinen Garten (2): Familie H. hat ihre liebe Not mit der Ernte

Von hey

Frieden liegt überm Gebiet. Am Herbsthimmel ziehen Wolken weiße Schlieren ins Blaue. Rotbackig leuchten Äpfel zwischen den Zweigen. Frau H. hat es sich mit einer Wolldecke auf der Liege gemütlich gemacht. „Wie kühl und klar die Luft ist“, denkt sie schwärmerisch. Vielleicht ein letztes Mal im Garten übernachten? Den Bullerofen anschmeißen und dem Tag dabei zusehen, wie er zur Neige geht...?

„Maaamaaa“, brüllt Sohn Hans den Frieden nieder, „heute machen wir aber das mit dem Kürbis! Bei Extra gibt’s schon Halloween-Kekse. Wir schnitzen ein ganz fieses Gesicht, machen ein Teelicht rein und gruseln uns im Dunkeln, ja?“ Frau H. erstarrt unter der Decke. Nicht, bitte, lieber Gott, mach’, dass ein Blitz vom Himmel fährt, und zwar direkt rein in den Deutschen Riesen.

So heißt er nämlich. Der Kürbis, der hinterm Haus wohnt. Ursprünglich sollte er nur den Kompost recht hübsch begrünen. Dann aber hat er im hinteren Drittel der Parzelle mit kopfkissengroßen Blättern und gartenschlauchdicken Trieben die Macht übernommen. Zu schweigen von der Frucht selbst.

Der Deutsche Riese hatte bereits den Maschendraht zum Nachbargarten eingedellt und mehrere Pflanzen unter sich begraben. Letzte Woche noch hatte Frau H. seinen Umfang auf gut anderthalb Meter geschätzt. Inzwischen dürften noch ein paar Zentimeter dazugekommen sein. Allein die Vorstellung, in dieses Monster ein Teelicht zu stecken, weckt spontanes Mitleid mit demselben. Eher schon käme ein siebenarmiger Leuchter als Lichtquelle in Frage. Das also sollte sie jetzt ausschrabbeln? Stundenlang – um sich dann womöglich noch verpflichtet zu fühlen, Kürbisbrot zu backen aus dem Fleisch?

„Hallihallo“. Rettung naht, in Form von Herrn H. Der kannte den Kürbis noch nicht. „Schatz“, sagte Frau H. und versucht, ihrer Stimme einen harmlosen Klang zu geben: „Würdest du mit Hans den Kürbis hinterm Haus aushöhlen?“ – „Klar.“

Die Antwort kam vielleicht etwas vorschnell. Das nächste, was Frau H. hörte, war ein erstickter Schrei. Dann aber Geklapper und Geschabe, eine Stunde lang. Schließlich von Herrn H. zu Frau H.: „Schatz, wir haben das Kürbisfleisch auf den Kompost getan, das war schon ganz matschig.“

So wurde es doch noch ein ganz schöner Abend. Familie H. übernachtete ein letztes Mal im Kleingarten-Häuschen. Draußen leuchtete die fiese Fratze des Deutschen Riesen. Und das war gaaaaanz schön gruselig. hey