Segeln gegen den Wind

Ernst Schliemann ist ein munterer, forscher Mensch. Manchmal allerdings vernebelt er ganz gern. Wird er zum Beispiel gefragt, warum er – nach just begonnener Offizierslaufbahn – vor 35 Jahren den Dienst bei der Marine quittierte. Dann sagt er, ihm habe nicht etwa der Feind gefehlt. Aber ihn habe gestört, „dass man ständig Übungen machte, obwohl ja nichts anstand“. In solchen Momenten weiß man nicht genau, was Schliemann meint.

Sicher ist: Der Urgroßneffe des Troja-Entdeckers Heinrich Schliemann steht gern im Rampenlicht. Und so ist die Strafanzeige, die er jüngst gegen das Landesdenkmalamt Mecklenburg-Vorpommern, das 7.000 Jahre alte Boote verrotten ließ, auch nicht seine erste Widerborstigkeit. 2004 etwa gründete er kurz eine Anti-Hartz-IV-Partei – aus Protest gegen den Gesetzentwurf, der Arbeitslose zum Verkauf ihrer Häuser zwingen wollte. Die längste Zeit aber ist er Betreiber von Wassersport-Anlagen in Spanien und anderswo gewesen. Inzwischen lebt er in Eckernförde.

Zur Archäologie ist Schliemann eher aus Versehen gekommen. „Bei einem Kreta-Urlaub haben mich Einheimische wegen meines Namens auf Fundstätten hingewiesen“, erzählt er. „Da habe ich angefangen, mich für Archäologie zu interessieren. Inzwischen war ich dreimal in Troja und habe dort mit Forschern gesprochen.“ Denn noch weiß niemand, ob das heutige Hisarlik mit Troja identisch ist. „Es wurde kein nutzbarer Hafen gefunden“, sagt Schliemann. „In den vorhandenen kann man aufgrund von Wind und Strömung hineinsegeln, aber nicht heraus.“ Und bislang habe man keine prähistorischen Boote gefunden, die gegen den Wind segeln konnten. Deshalb ärgert ihn, dass man die Stralsunder Boote verrotten ließ: „Wer weiß, ob diese zwölf Meter langen Schiffe gegen den Wind segeln konnten. Wenn ja, dann konnte man auch zu Trojas Zeiten solche Schiffe bauen.“

Die Beweisstücke freilich sind ja nun perdu. Schliemann indes gibt nicht auf: „Wenn man die damaligen Strömungsverläufe rekonstruiert, kann vielleicht weitere Wracks finden.“ Und alles zurück auf Anfang stellen.PETRA SCHELLEN

ERNST SCHLIEMANN, 59, Ex-Marineoffizier, leitete Segelschulen in Spanien und auf den Malediven. FOTO: PRIVAT