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Archiv-Artikel

videorekorder: „wir sind wir“

Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Es geht zurück. Und das mit stolzem Schritt und heroischen Gesten. Paul van Dyke, dessen Techno-Pathos bisher ohne Worte auskam, und Peter Heppner, der dereinst mit dem Goldenen Reiter Joachim Witt die Flut beschworen hatte, haben gemeinsam ein Lied geschrieben. Was kaum von Interesse wäre, würden die neuen Beats im Musikfernsehen nicht mit ziemlich alten, aufwändig inszenierten Bildern garniert. Und würde Peter Heppners theatralisches Idiom dabei nicht jene Orte beschwören, die in kollektiven Geschichtsarchiven unter der Rubrik „Deutsche Mythen“ ablegt worden sind. Der Krieg, die Trümmer, das Wunder von Bern. Das Wirtschaftswundern, das Häuslebauen, der Mauerbau und der Mauerfall. Peter Heppner schwitzt diese Erinnerung aus. Steht mit Stift, Block und Kamera an der vordersten Front der Ereignisse. Wird zum Geschichtsreporter einer kollektiven Erinnerung. Eines deutschen Märchens, an dem – und das singt Heppner tatsächlich so – ein Volk gesungen soll. „Wir sind wir“, heißt jener Elektro-Schlager im wohl kalkulierten Wissen um die Tatsache, dass es doch auch „Wir sind (wieder) wer“ heißen könnte. Wem das noch nicht explizit genug ist, dem begegnet der ehedem im Gothic-Pop beheimatete Heppner mit einem stolzen „haben aus Asche Gold gemacht“. Wie man aus verbrannter Erde goldene Schallplatten destilliert, das haben Paul van Dyke und Peter Heppner mit „Wir sind wir“ bravourös unter Beweis gestellt. Einem Song, der eigentlich keine unappetitliche Steigerung mehr zulässt. Es sei denn, Guido Knopp bietet sich für einen Remix an. CLEMENS NIEDENTHAL