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Archiv-Artikel

Schulstunden mit Musik

Darf konzeptuelle Kunst Spaß machen? In der Ausstellung „Funky Lessons“ bei BüroFriedrich wird allzu viel Didaktik abgelehnt und die strenge Dogmatik früherer Tage mit viel Popkultur aufgemischt

VON HARALD FRICKE

Am Anfang sieht man in Adrian Pipers Video „Funk Lesson“ eine Schulaula, in der fein rausgeputzte junge Leute zu Disco-Rhythmen zappeln. Es sind die frühen Achtzigerjahre, das erkennt man an den grauenvollen Frisuren. Am Ende des Parcours durch die Räume von BüroFriedrich zeigt Aleksandra Mir in ihrem Videotagebuch aus Mexiko-Stadt eine schmuddelige Bar, in der ein wilder Haufen Salsa und Cumbia tanzt. Es ist das Jahr 2004, das sieht man an den grauenvollen Tätowierungen.

Zwischen diesen beiden Polen hat der Kunstkritiker Jörg Heiser die Ausstellung „Funky Lessons“ arrangiert, in der es um die meist nur hinter vorgehaltener Hand diskutierte Frage geht: Darf konzeptuelle Kunst Spaß machen? Deshalb war Pipers Arbeit titelgebend, schließlich hat die afroamerikanische Künstlerin 1983 nicht bloß Tanzstunden gegeben, sondern nebenher die Geschichte weißer Aneignung von schwarzer Musik erzählt. So wie sich die Stones beim Blues bedient haben, so wären die Talking Heads nicht ohne Bootsy Collins’ Funkedelica denkbar gewesen. Insofern ist ihre „Funk Lesson“ ein Stück weit oral history zur kulturellen Identität, die nun aber nicht in einem Seminar aufgearbeitet wird, sondern in die Disco führt. 20 Jahre später ist dieser unakademische Zugang bei Aleksandra Mir längst selbstverständlich geworden: Zum Künstleraustausch nach Mexiko eingeladen, versucht sie sich in der fremden Kultur zurechtzufinden, indem sie auf historische Orte verzichtet und sich gleich ins Nachtleben stürzt.

Offenbar sind die 13 Künstler und Künstlerinnen, die Heiser für „Funky Lessons“ eingeladen hat, mit cultural studies aufgewachsen, wo viel Wert auf die assoziativen Freiräume der alltäglichen Kommunikation gelegt wird. Das gilt schon für die älteste Arbeit: In John Baldessaris Film von 1972 trägt der amerikanische Künstler die Leitsätze des Minimalisten Sol Lewitt in einem monotonen Singsang vor und führt die strenge Dogmatik der Statements damit ins Absurde.

Ähnlich funktioniert auch Eva Grubingers seltsame Videovorlesung „Das Diaphaidon“. Während im Hintergrund ein Film mit einem Hamster im Käfig läuft, führt Grubinger todernste Überlegungen zu Ludwig Wittgenstein und das Verhältnis zwischen Psychologie und Sprache aus, um dann unvermittelt im gleichen Tonfall zu erklären, „dass Rebecca Horn auch Kosmetikerin hätte werden können“. Gegenüber hängt wiederum eine Zeichnung von Annika Ström, auf der die schwedische Künstlerin schlicht feststellt: „I have no theory about this text.“

Natürlich fühlt man sich bei solchen Bekenntnissen schnell an das „Stop making sense“ erinnert, mit dem die Postmoderne hierzulande gegen den Geist der Geisteswissenschaften zu Felde zog. Trotzdem ist in der Ablehnung von allzu viel Didaktik auch bei „Funky Lessons“ immer der Wunsch nach einer irgendwie besseren ästhetischen Erziehung zu spüren – etwa wenn Tino Sehgal für seine Konzeptperformance eine junge Frau anheuert, die Hals über Kopf dem Besucher entgegenstürzt, auf dem Boden liegen bleibt und dann apathisch das Thema der Ausstellung herunterbetet. Mit Kunst als oberflächlichem Entertainment möchte sich die Ausstellung nicht gemein machen: Die Skulptur von Marko Lulic, der das Rosa-Luxemburg-Denkmal von Mies van der Rohe nachgebaut hat, ist zwar eine ironische Überspitzung der mürrischen Kastenarchitektur, aber eben doch an eine Sehnsucht nach politischer Intervention gekoppelt.

Mitunter funktioniert der Aktivismus auf Kosten des Betrachters. Bei Erik van Lieshout muss man in eine überdimensionale Pillenschachtel aus Pappe kriechen, um gebückt sein Video aus Ghana zu sehen. Dafür hat van Lieshout selbst sicher lustige Tage in Afrika gehabt: Der Film über die Gefahren von Malaria ist ein chaotischer Musikclip, in dem afrikanische Jugendliche Infos zur Vorbeugung gegen die Krankheit rappen. Der Künstler macht sich derweil an den Plattenspielern nützlich, dort ist er am besten aufgehoben.

Bis 13. 11., Di. bis Sa. 12 bis 18 Uhr, BüroFriedrich, Holzmarktsraße 15–18