: „Die Zeitung ist ein Wert“
Wie kann man trotz sinkender Anzeigeneinnahmen und Sparmaßnahmen das Sterben der Qualitätszeitungen verhindern?
AUS BERLIN JUTTA HEESS
Über dem Podium thront Rudi Dutschke. Auf einem Plakat, das die aktuelle taz-Abokampagne abbildet. Vom „miserablen Zustand der deutschen Öffentlichkeit“ sprach Dutschke 1978 und benannte damit einen Anlass zur Gründung der taz. Heute hingegen droht ein langsames Sterben der existierenden Tageszeitungen. „Erlesenes erhalten“ steht da noch über Dutschkes Kopf – mit Hilfe dieses Slogans sollen nicht nur neue Voll-Abonnenten für die taz gewonnen werden – es geht um die Rettung der Gattung „Tageszeitung“ an sich.
Womit das gelingen mag, wie man trotz sinkender Anzeigeneinnahmen, nötiger Sparmaßnahmen und der bedrohlichen Kartellrechtslage eine florierende Tageszeitung produzieren kann, wurde auf der Generalversammlung der taz von drei direkt Betroffenen vorangetrieben. In der Berliner Kulturbrauerei diskutierten: Joachim Meinhold, Tagesspiegel; Wolfgang Storz, Chefredakteur der Frankfurter Rundschau; Bascha Mika, taz-Chefredakteurin; außerdem Christoph Keese, Chefredakteur des Sonntagsblattes Welt am Sonntag.
Ausgerechnet Letzterer stieg mit einem flammenden Plädoyer für „einen ganz klaren Qualitätskurs, eine Qualitätsoffensive“ in die Debatte ein. Man könne ruhig auch über eine Jenny Elvers schreiben, es komme darauf an, wie man es mache. „Qualität lohnt sich“, meinte Keese, während Wolfgang Storz bezweifelte, dass „sich Qualität am Markt lohnt“. Der FR-Chef brachte damit direkt die Doppelbelastung ins Spiel, der eine Tageszeitung ausgesetzt ist: zum einen ein Instrument der demokratischen Öffentlichkeit, zum anderen ein Finanzunternehmen zu sein. Gerade an diesem Punkt offenbart sich seiner Meinung nach der Kern der Medienkrise, und er konterte auf Keeses Elvers-These: „Genau der Typus Tageszeitung ist bedroht, dem nicht der Ton und das Image, sondern das Thema wichtig ist.“
Auch Bascha Mika („Rendite verringert sich, wenn Qualität steigt“) und der Tagesspiegel-Geschäftsführer Meinhold („Eine Krise der Finanzierung von Qualitätsjournalismus“) trugen zum Eindruck bei, dass die erstklassige Tageszeitung bald ein Relikt aus der Vergangenheit sein könnte. Wie befreit man sich also aus dieser ökonomisch-inhaltlichen Zwickmühle? Vielleicht dann doch mit Hilfe von Pressefusionen? FR-Chefredakteur Storz, dessen Blatt zurzeit mit den größten finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, sieht einer möglichen Änderung des Kartellrechts gelassen entgegen: „Die Vielfalt von Zeitungen muss erhalten werden, aber wir brauchen keine Vielfalt von Druckereien, Fotolaboren und Lohnbuchhaltungen.“ Möglichen „Sanierungsfusionen“ im nichtredaktionellen Bereich ist auch Weinhold zugetan. Und Keese fragte ungeniert, ob nicht sogar eine Angleichung fusionierter Zeitungen besser sei als ein Zeitungssterben. Gleichzeitig behauptete er jedoch, dass man sehr wohl unter einem Verlagsdach (in seinem Fall: Springer) eine starke publizistische Konkurrenz pflegen könne. Er etwa habe ein Interview mit Hans Magnus Enzensberger vor seinen Kollegen der Welt erfolgreich geheim gehalten.
Eine Strategie, die sich Redakteure in Zukunft hoffentlich nicht aneignen müssen. Dann doch lieber den Abo- und den Kioskpreis erhöhen, vielleicht. Und sich möglicherweise von dem Gedanken verabschieden, dass eine gute Tageszeitung einen großen Gewinn erwirtschaftet. „Ist der Erhalt einer Zeitung nicht schon ein Wert an sich?“, fragte Mika. Die anwesenden taz-Genossen applaudierten – für sie ist genau das der Grund, als Kapitalgeber ein Unternehmen zu unterstützen, das alle Erlöse in die Qualität der Zeitung investiert.