: In eigener Sache
Am Sonntag wurde auf Sat.1 darüber diskutiert, am Montag schon einigten sich die Entscheider auf eine Erhöhung der Rundfunkgebühren um 86 Cent
VON STEFFEN GRIMBERG
Es ist zum Mäusemelken. Da hat Sat.1 mal eine ziemlich aufregende Idee: eine „Christiansen“-mäßige Diskussion über die Rundfunkgebühr für ARD und ZDF. Mit einer zwar tendenziösen, aber hochkarätig besetzten Runde. Günther Jauch (RTL) und Thomas Gottschalk (ZDF) gemeinsam auf Sat.1, wow. Dazu drei Ministerpräsidenten, einen Privatsenderchef, den wohl wichtigsten ARD-Intendanten. Und was macht der Sender, der’s allen zeigen will?
Platziert das Ding am Wahlabend des Jahres – mehr oder weniger parallel zur echten „Christiansen“. Nimmt keine Rücksicht auf die eigenen Zuschauer, sondern lässt die Herren des Fernsehens ohne Rücksicht auf Quotenverluste munter inzestuös Jargon schwafeln („KEF-Verfahren“, „VPRT-Argumente“). Und verbreitet schönste Halbwahrheiten: „Die Wirklichkeit sieht so aus“, verkündet Moderator Claus Strunz, und dann folgt ein derart billiges Stück über den bösen, gefräßigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass man zu Strunzens Ehrenrettung vermuten darf, Derartiges würde selbst in BumS intelligenter gemacht.
Die folgende Diskussion ist so munter wie inhaltsleer: Nein, „Wetten, dass …?!“ ist keine Dauerwerbesendung, aber wenn er Agassi und Steffi Graf auf dem Sofa haben will, kann das das ZDF nun mal nicht allein bezahlen, sagt Gottschalk, und außerdem koste das Programm nur 14 Cent am Tag.
Günther Jauch guckt über weite Strecken der Sendung wie ein Wackeldackel und ringt sich zum auch nicht eben taufrischen Vorschlag durch, ARD und ZDF sollten einfach auf jegliche Werbung zugunsten der Privaten verzichten, und alles wird gut.
Edmund Stoiber redet viel und wie immer und sagt nichts. Premiere-Chef Georg Kofler als Kronzeuge des wahren Privatfernsehens ist offenbar gedopt und fällt sich ständig selber ins Wort, sodass der dagegen geradezu sediert wirkende WDR-Chef Fritz Pleitgen sich schon Sorgen macht: „Seien Sie doch nicht so aufgeregt.“
Ansonsten aufgeregt war eigentlich nur noch Moderator Claus Strunz. Denn ihm entglitt langsam, aber sicher die Gesprächsführung. Während Sabine Christansen in solchen Situationen papierrollenfuchtelnd Contenance zu bewahren pflegt, quatschte Strunz auch noch dazwischen, ohne sich durchsetzen zu können. Zum Schluss noch zwei Sätze zur Wahl: Betroffenheit.
Jauch, dem Paten von Potsdam, schlägt das PDS-Ergebnis aufs Gemüt. Das Wort „Radio“, mit seinen mehreren Dutzend öffentlich-rechtlichen Programmen auch nicht eben unwichtig, fiel kein einziges Mal.
Ergebnis: Mehr als mäßig, da hätten wir Sat.1 mehr zugetraut. Wie wohl auch die Ministerpräsidenten, die sich gestern hinsichtlich der anstehenden Gebührenentscheidung auf einen Vorschlag zur Erhöhung um 86 Cent einigen konnten (siehe Kasten). NRW-Chef Peer Steinbrück (SPD) langweilte die reine Herrenrunde zwischendurch jedenfalls schon so stark, dass er Gin Tonic bestellen wollte. Zur Entschädigung für so viel medienpolitische Männlichkeit gab’s immerhin so häufige wie erklärungsfreie Schwenks auf die NRW-Medienstaatssekretärin Miriam Meckel, die im Publikum saß.
Und was macht der Sat.1-Zuschauer aus all dem? Vielleicht hat er es gar nicht gemerkt, schließlich läuft ab sofort sonntagabends nach dem Familientherapeutikum „Kämpf um deine Frau“ eine Sendung mit den „Witzigsten Werbespots der Welt“. An die mäßige Lustigkeit jener Show kam die Dauerwerbesendung gegen die Rundfunkgebührenerhöhung dann doch locker heran.