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Archiv-Artikel

Zielscheibe – der Kopf von Scherf

Die Fraktionen von SPD und CDU teilen die Kritik der Grünen: Die Art, wie Scherfs rechte Hand, Staatsrat Reinhard Hoffmann, der Grass-Stiftung 500.000 Euro zugeschanzt hat, war ein Haushaltsverstoß und eine Missachtung des Parlaments

Bremen taz ■ Die Senatsbank in der Bremischen Bürgerschaft war gestern Nachmittag voll besetzt wie bei einem Staatsakt: Fast alle Senatoren waren da und viele Staatsräte. Es ging um den zentralen Kopf in diesem Senat, den Chef der Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann. Hoffmann soll entlassen werden, forderte die Opposition der Grünen in einem Antrag. Henning Scherf, zerknirscht wie selten, erklärt freimütig, warum das nicht geht: Hoffmann ist einer von denen, „auf die die Landesregierung angewiesen ist“. Vor allem er selbst.

Hintergrund des Antrages der Grünen ist ein schlichter Sachverhalt: Aus einer Überweisung des Energieversorgers Eon wollte Hoffmann der finanziell Not leidenden Günter-Grass-Stiftung, einem Kind des Rathauses, 500.000 Euro zuschanzen. Der Finanzsenator sperrte sich offenbar dagegen. Es gab noch keinen Haushalt 2004, alle Ressorts quälten sich mit Streichungen. Da formulierte Hoffmann einen Vermerk, in dem es heißt, das Geld sei von der Eon „mit folgender Zweckbestimmung“ – eben 500.000 Euro Grass-Stiftung – an Bremen überwiesen worden, das Konto des Landes sei also „lediglich Durchlaufstation“. Daraufhin zahlte der Finanzsenator das Geld aus (vgl. taz 22.9.).

„Nur mit dieser Falschaussage konnte es gelingen, dass dieses Geld fließt“, bewertete Karoline Linnert (Grüne) den Vorgang: „Wer sowas macht ist untragbar.“ Da offenbar bewusst das Budgetrecht des Parlaments verletzt worden sei, gehe es um das Verhältnis der Legislative zur Exekutive. „Zeigen Sie endlich Selbstbewusstsein“, appellierte sie an die Abgeordneten von SPD/CDU.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Jens Böhrnsen, teilte ausdrücklich die Kritik. Es fehle in der Landesregierung das Verständnis für die Rechte des Parlaments, formulierte er, „es geht um den Kernbestand des demokratischen Gemeinwesens“. Die Entlassung Hoffmanns lehnte er aber ab und mahnte an, die Rechte des Parlaments zu stärken.

Jörg Kastendiek, CDU-Fraktionsvorsitzender, schloss sich ausdrücklich „den beiden Vorrednern“ (Linnert und Böhrnsen) an. Es gehe um einen Haushaltsverstoß. Er wandte sich gleichzeitig gegen „überzogene Konsequenzen“.

Scherf gab sich zunächst zerknirscht. Eine Missachtung des Parlaments sei nicht beabsichtigt gewesen, sagte er. „Wenn der Eindruck entstanden ist, dann entschuldige ich mich dafür, dann habe ich einen Fehler gemacht.“ Und dann reklamierte er für sich das Recht, sich zu wehren, wenn die Opposition versuche, „das Regierungsgeschäft zu stören, zu erschweren“.

Auch in der Sache verteidigte Scherf seinen Staatsrat: Hoffmann habe den Senatsbeschluss korrekt umgesetzt. Er vertrete – im Gegensatz zu allen drei Fraktionen des Parlaments – die Rechtsauffassung, dass der Senat als Gesellschafter einer GmbH über die Gelder verfügen dürfe, die die Eon überweist.

Das brachte Linnert auf die Palme. „Stört“ die Opposition die Regierungsarbeit? „In welche Tradition begeben Sie sich mit solchen Bemerkungen?“, rief sie in den Plenarsaal. Und zu der von Scherf vorgetragenen Rechtsauffassung sagte Linnert dem Juristen Scherf: „So ein gequirlter Quark ist mir noch nie untergekommen.“ Ganz selbstverständlich wollte auch der Finanzsenator die fünf Millionen Euro der Eon in den Haushalt einstellen, aber nur 4,5 Millionen kamen da an – 500.000 Euro hatte Hoffmann vorher abgezweigt.

Niemand meldete sich zu Wort, um Scherf zu verteidigen. Der Finanzsenator saß stumm da. Ende der Debatte, Abstimmung – Antrag abgelehnt.

Klaus Wolschner