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Archiv-Artikel

Ganztagsschule auf Sparkurs

Freie Träger befürchten „gravierende Verschlechterungen“ bei der Nachmittagsbetreuung der Grundschulkinder. Ganztagskonzept entpuppe sich zunehmend „als verkapptes Sparprogramm“

VON SABINE AM ORDE

Ab dem kommenden Schuljahr soll für die Grundschulkinder und ihre Eltern alles besser werden. Das zumindest hat Bildungssenator Klaus Böger (SPD) versprochen – und qualifizierte Ganztagsangebote angekündigt. Die freien Träger befürchten nun, dass aus der Verbesserung nichts wird. Schlimmer noch: Sie erwarten eine „gravierende Verschlechterung“ der Nachmittagsbetreuung. Das sagte der Sprecher des Dachverbands Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS), Norbert Bender, gestern der taz. Aus seiner Sicht entpuppen sich Bögers Schritte auf dem Weg zur Ganztagsschule „zunehmend als verkapptes Sparprogramm“.

Der Hintergrund: Vom kommenden Schuljahr an sollen die Grundschulen für die Nachmittagsbetreuung ihrer Kinder zuständig sein; so steht es im neuen Schulgesetz. Dazu müssen 33.000 Betreuungsplätze von den Kitas an die Schulen verlagert werden. Die freien Träger bieten bislang fast 40 Prozent dieser Plätze an. Sie sollen künftig mit den Schulen zusammenarbeiten. Zu den freien Trägern gehören neben dem Schülerladen-Dachverband auch die großen Wohlfahrtsverbände wie die Arbeiterwohlfahrt und der Paritätische Wohlfahrtsverband.

Am Donnerstagabend nun hat Bögers Verwaltung – mit einiger Verspätung – den freien Trägern die Bedingungen für diese Zusammenarbeit mitgeteilt. Und die sorgen nun für helle Aufregung. Denn nach Informationen der freien Träger soll beim Personal ein Drittel gekürzt werden. „Bislang ist rechnerisch eine Erzieherin für 21,5 Kinder zuständig, danach sollen es 10 Kinder mehr sein“, sagt DaKS-Sprecher Bender. Dabei habe er schon ausgerechnet, dass sich die Betreuungszeit für die Grundschulkinder künftig verkürzt.

Im kommenden Jahr wird in Berlin überall die Verlässliche Halbtagsgrundschule (VHG) eingeführt: Die Schulen müssen dann Betreuung von 7.30 bis 13.30 Uhr garantieren. Ausgeschlossen soll dann sein, dass die Kids schon um 11 Uhr im Hort auftauchen, wie es bislang der Fall ist. Diese Betreuung kann also verkürzt werden.

Dies allein führe zu den geringeren Personalmitteln für die freien Träger, heißt es in der Bildungsverwaltung. Eine Verschlechterung des Angebots streitet Böger ab. Die Höhe der Finanzierung bleibe „im Prinzip gleich“, betonte der Bildungssenator gestern. Konkrete Zahlen aber wollten weder er noch seine Fachfrau Susanne Pape nennen. „Zuerst müssen wir mit den freien Trägern sprechen“, sagte Pape. Die Verhandlungen beginnen am Dienstag.

Der Liga-Vorsitzende Hans-Wilhelm Pollmann kündigte bereits harte Verhandlungen an. „Eine Verschlechterung darf es nicht geben“, sagte er. Konkreten Zahlen aber wollte auch er sich nicht nennen.

Unterstützung erhielten die freien Träger gestern von den Grünen. „Zum zweiten Mal verschlechtert Rot-Rot Erziehung, Bildung und Betreuung im Hortbereich“, kritisierte Kita-Expertin Elfi Jantzen. „In den Schreiben an die Schulen und die Eltern tauchen Erziehung und Bildung als Aufgabe der Hortangebote erst gar nicht mehr auf.“ Bereits 2003 hatte der Senat beim Personal im Hort gekürzt. Zuvor war eine Erzieherin – rein rechnerisch – für 16 Kinder zuständig, seitdem sind es 21,5.