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Archiv-Artikel

kuckensema: auf bremens leinwand Nahe dran: Shaheen Dill-Riazs Doku „Sand und Wasser“

Mal droht das Land im Wasser unterzugehen, mal als Wüste zu vertrocknen. Zwischen diesen beiden Extremen leben die Menschen auf den Schwemmlandinseln am Fluss Jamuna im Norden von Bangladesh. Während der Monsunzeit steigt der Seitenarm des Brahmaputra so hoch, dass das Wasser das Land bricht und die Bewohner ständig auf andere, höher gelegene Felder umziehen müssen. In der Trockenzeit leben sie in einer sandigen Mondlandschaft, die mühsam bewässert werden muss.

Warum setzten sich die Bewohner der Gemeinde Gabshara diesen Naturgewalten aus? Warum ziehen sie nicht aufs Festland? „Die Seele will es nicht!“ ist die Antwort eines Bauern, der inzwischen siebenmal sein vom Wasser bedrohtes Haus abreissen und auf einem anderen Feld wieder aufbauen musste. „Seit 25 Jahren spielt Gott mit uns sein Spiel“ ergänzt ein alter Mann und zeigt weit hinaus auf eine Stelle im riesigen Flussbett, bis zu der sich damals das trockenen Land erstreckte.

Später, auf einer Fahrt zu einer neu erbauten Brücke, wird der Bootsführer erklären, dass nicht die göttliche Allmacht für das unaufhaltsame Verschwinden der auf Bengali „Char“ genannten Inseln verantwortlich ist. Durch Deiche wurde das 13 Kilometer weite Flussbett auf 5 Kilometer eingezwängt, und der gigantische Bau, der den Osten mit dem Westen des Landes verbindet, könnte sich schon bald als nutzlos erweisen, weil sich der Fluss zunehmend andere Arme sucht und vielleicht bald neben der Brücke vorbeifließen wird.

Shaheen Dill-Riazs nimmt sich in seiner etwa 80 Minuten langen Dokumentation Zeit dafür, die Menschen sprechen zu lassen. Eine alte Frau erklärt mit den typischen durch Betelkauen schwarz gefärbten Zähnen, warum sie eher auf das Essen verzichten würde als auf diese kleinen, einen leichten Rausch erzeugenden Nüsse. Ein Ehepaar streitet sich vor der Kamera, und dabei fallen Sätze wie: „In Bangladesh ist der Marktwert der Frauen gesunken.“ Dann zeigt der Film minutenlang alltägliche Szenen, etwa von Dorfbewohnern und ihren Kindern beim Spielen.

Wenn man dann ihre ausgelassene Freude darüber, dass das kleinste Kind gewinnt, sieht, bekommt man zumindest eine Ahnung vom Lebensgefühl dieser Menschen. Statt im Stil gängiger Dokumentationen das Exotische oder das schockierende Elend auszustellen, hat Dill-Riaz mit einem dramaturgisch geschulten Blick Eindrücke gesammelt: Eine völlig erschöpfte Kuh wird von ihren Hirten auf einem Feld liegend zurückgelassen, Fakire rauchen Ganja und tanzen sich in Trance, ein kleiner Junge steht so in sich ruhend bis zu den Schultern im Wasser, als sei er ein amphibisches Wesen.

Dill-Riaz, der heute als Regisseur in Deutschland lebt, ist in Bangladesh aufgewachsen, und dies spürt man daran, wie nah die Menschen die Kamera an sich heranlassen. Und in einer kurzen Sequenz zeigt der Filmemacher auch seine eigene Hilflosigkeit: „Die können nur fotografieren!“ ruft ein Mann auf einem Boot mit seinen vor der Flut geretteten Habseligkeiten angesichts des Filmteams.

„Sand und Wasser“ wurde im Jahr 2001 gedreht und auf Festivals in Barcelona, Kathmandu und Tel Aviv ausgezeichnet. Zu der Bremer Premiere am Sonntag um 15 Uhr in der Gondel lädt das Filmbüro Bremen ein, weil es den nächsten Film von Shaheen Dill-Riaz „Eisenfresser“ mit 11.000 Euro fördert. Ein Teil des Eintrittspreises wird als Spende an die Flutopfer in Bangladesh weitergereicht. Wilfried Hippen