piwik no script img

Archiv-Artikel

Mord bei Mackensens

Den „Tod in Worpswede“ stirbt nur einer. Aber auch die Geschichte der anderen KünstlerdorfbewohnerInnen, die Kai Artinger in seinem Krimi erzählt, ist spannend

Wer über Worpswede schreibt, hat es nicht leicht. Das berühmte Künstlerdorf im Teufelsmoor, nordöstlich von Bremen gelegen, steckt voller Geschichten – aber man kann sie kaum erzählen, ohne anzuecken. Vor allem, wenn sie in den 30er und 40er Jahren spielen.

Mit Landschaft, Licht und niederdeutscher Mythos hatte das Bremer Autoren-Trio Arn Strohmeyer, Kai Artinger und Ferdinand Krogmann bereits 2000 einen Versuch gemacht, die vielfältigen Verflechtungen der Worpsweder Kunst mit der Ideologie des Dritten Reiches darzustellen. Statt einer breiten Diskussion folgte daraus ein Verunglimpfungs-Prozess mit einem der Künstlerkinder – was die drei Historiker nicht davon abhält, kontinuierlich zum Thema zu veröffentlichen. So goss Artinger, mittlerweile am Lübecker Günther-Grass-Haus tätig, seine Kenntnisse jetzt in Krimiform: Tod in Worpswede.

Das Buch lebt stärker vom Wissens- als vom Action-Input. Artinger hat für seine Geschichte ein bemerkenswertes historisches Dreieck geknüpft zwischen Worpswede, dem „Sturm auf die Bremer Kunsthalle“ – der versuchten Absetzung von Direktor Emil Waldmann wegen „Vernachlässigung der Heimatkunst“ – und den Bremer Zwangssterilisationen. Letztere zeichneten sich dadurch aus, dass sie mehr Todesopfer als reichsweit üblich forderten. Durch diese gesellschaftlichen Zustände des Jahres 1934 lässt Artinger seinen Kommissar Lüder eine kriminalistische Schneise schlagen.

Die Spuren eines Mordfalles im Worpsweder Moor führen unter anderem zu Professor Wilhelm Kampf, an dem unschwer Züge von Fritz Mackensen zu erkennen sind, einem der Künstlerdorf-Gründer. Allerdings weist Artinger explizit darauf hin, dass er keinen biographischen Dokumentarkrimi verfasst habe. An der Figur habe ihn ein allgemeiner Künstlertypus interessiert: Bekannt geworden im Kaiserreich, beruflicher Einbruch nach dem Ersten Weltkrieg und dann das Bemühen, im beginnenden Dritten Reich an alte Erfolge anzuknüpfen.

Obwohl also vieles im Krimi Erzählte fiktiv und typisiert ist, erfährt man doch spannende Fakten: Zum Beispiel, dass Mackensen eine mehr oder weniger versteckt gehaltene behinderte Tochter hatte, was ihn nicht davon abhielt, am Kunstwettbewerb „Die erbgesunde Familie“ teilzunehmen. Oder dass er, als überzeugter Militarist, jahrzehntelang an der Konstruktion eines Zielfernrohrs für die Wehrmacht bastelte. Diese nicht sehr bekannten Details werden zu entscheidenden Elementen des Krimis. In Worpswede übrigens läuft dessen Verkauf eher schleppend – zumal ihn eine der beiden Buchhandlungen gar nicht erst ins Sortiment aufgenommen hat. Henning Bleyl

Kai Artinger: Tod in Worpswede, VDG, Weimar, 2003, 261 Seiten, 16,80 Euro