: Zum Abschied
Ohne die herausragende Leistung der Schauspieler läuft „5 x 2“ Gefahr, an der eigenen Konstruiertheit zu ersticken
Das Zahlenspiel im Titel gibt nichts weiter als die Rezeptur an: „5 x 2“ schärft in fünf Episoden den Blick für das Scheitern einer Ehe. François Ozon, der spätestens seit „8 Frauen“ und „Swimmingpool“ als Jongleur mit Genre-Versatzstücken wie auch als Schauspieler-Regisseur bekannt ist, hat sich hier für eine konsequente Rückblendenerzählung entschieden.
Das Ende, die Scheidungsszene, steht am Anfang, jede Episode führt weiter zurück in die Vergangenheit, und so wird die Zuschauerneugier zwangsläufig darauf angesetzt, Indizien dafür zu suchen, was das Paar auseinander trieb. Wohin verschwindet das wahre Leben in all den Inszenierungen des falschen?, fragt der Film, wenn er seine analytische Erzählform mit schmachtenden italienischen Canzone auflädt und zum Ende hin die Begegnung des Paares rot einfärbt wie eine kitschige Werbung für den Flirturlaub am Meer. Nicht nur lässt François Ozon der Geschichte seiner beiden Mittdreißiger Marion (Valeria Bruni-Tedeschi) und Gilles (Stéphane Freiss) keine Chance, die einzelnen Kapitel seines Films kreisen wie eine Versuchsanordnung um das Trauerthema. Diese Generation Pariser Wohlstandsbürger hat nicht gelernt, wie sie leben soll.
Die Eingangsepisode zeigt, wie Marion und Gilles das von ihren Anwälten mit allen grotesken Details vorbereitete Scheidungsurteil zur Kenntnis nehmen und die quälende Prozedur im Schmerz und Trotz isoliert aushalten. Mit dieser ersten Sequenz steht fest, dass „5 x 2“ ohne die schauspielerische Leistung seiner Protagonisten an seiner Konstruiertheit ersticken würde. Auch Françoise Fabian und Michael Lonsdale als Marions Eltern nutzen den Spielraum, den Ozons minimalistische Dramaturgie öffnet, und geben als Marions notorisch nörgelnde, dennoch untrennbare Eltern ein anrührendes Buffopaar im Generationenclinch der Beziehungskatastrophen ab.
Was tun zum Abschied, wenn noch ein Rest Zusammengehörigkeit übrig ist? Ozon stellt sich wie sein Vorbild Ingmar Bergman vor, dass sich das Paar ein „letztes Mal“ liebt. Seine Figuren gehen zum verabredeten Sexdate zusammen in ein Hotel, doch die Gefühle von Abneigung und Loslösung nehmen in Marions Körpersprache mit jedem Moment zu. Gilles reagiert zunehmend aggressiver und vergewaltigt Marion brutal. Eine Szenenfolge, in der Valeria Bruni-Tedeschis Spiel das Ineinander von Schmerz, Demütigung und Wut mit großer Intensität offen legt.
Ozons zeitgenössische Version von Bergmans „Szenen einer Ehe“ stanzt fünf Episoden aus der epischen Fülle heraus, mit der sein Vorbild vom Sterben der Gefühle erzählt. Auch bei ihm fehlt nicht das klassische Motiv, dass Ehen an der Alltagsroutine zerbrechen, aber „5 x 2“ sucht den Trennungsvirus auch in Gender- und Sexproblemen seiner Protagonisten, die vor dreißig Jahren nicht zum gängigen Mentalitätskostüm gehörten. Wenn Gilles das gemeinsame Söhnchen füttert und nachts bei ihm statt bei seiner Frau einschläft, wenn ein Abendessen mit seinem schwulen Bruder und dessen Lover zum Streitgespräch über die Wonnen einer offenen Beziehung gerät und Marion ausgelassen mit dem hedonistischen Männerpaar tanzt, wenn die Geburt seines Sohnes den Mann zuvor in eine seltsame Agonie fallen ließ und schon nach der wunderbar ausgelassenen Hochzeit Ehe- und Sexpartner nicht dieselben waren, dann gibt sich Ozons Katzenjammerstimmung zu erkennen: Männer sind schwächer als Frauen und Sex scheint ein derart mechanisches Attribut jeder Begegnung zu sein, dass unter der Oberfläche Verletzungen entstehen, die den alten Erzählungen von repressiver Sexualität an Destruktionskraft nicht nachstehen. Einzig die verwundbare Stärke von Valeria Bruni-Tedeschi erscheint als Gegengift zu diesem Dilemma. CLAUDIA LENSSEN