: Verpuffende Elektrogewitter
Als sich alles richtig anfühlte: Die Band Soulwax machte in der Maria eine große Sause – zumindest zwei Stücke lang
Für einen Moment dachte man: Das ist perfekt, so muss es immer sein. Gerade waren die Brüder David und Stephen Dewaele mit ihrer dreiköpfigen Band auf die Bühne gekommen – zusammen macht das Soulwax, das heimliche Hauptprojekt der aus dem belgischen Gent stammenden Gebrüder Dewaele.
Heimlich deshalb, weil die Dewaele in den letzten Jahren mit ihrem Nebenprojekt, den 2 Many DJs, weit mehr Furore gemacht haben. Sie waren es, die den Bastard Pop – zur Erinnerung: das war der Hype, bei dem zwei (meist bekannte) Musikstücke mit Schmackes übereinander gemixt wurden – zwar wohl kaum erfunden, dafür aber an ein großes Publikum gebracht haben.
Auch in der Maria sollten sie später noch als 2 Many DJs auftreten – so stand es in der Ankündigung. Doch erst mal – nach einem sorgfältig choreografiert wirkenden Aufbau und Soundcheck, bei dem auch die Roadies für einen Moment Star sein durften – feierten sie ihre Rückkehr als Soulwax und schickten sich an, eine große Sause zu veranstalten. Das war der etwa zwei Titel andauernde – und damit ja recht lange – Moment, in dem sich alles richtig anfühlte.
Der Drummer Steve Slingeneyer schlug entfesselt auf sein Schlagzeug ein. Es gelang ihm tatsächlich, sein Instrument zu demolieren. Im Publikum nickten die Mitte-dreißig-jährigen Männer anerkennend. Sie waren in ihrer Provinz-Jugend wohl große Iron-Maiden-Fans. Und als der ältere, singende Bruder Stephen wie der Vater der restlichen Band tat und wie ein Wanderprediger ins Mikrofon schrie, da guckten sogar die Frauen in den vorderen Reihen ganz entrückt. Vielleicht freuten sie sich aber auch an David, dem jüngeren Bruder. Der war nett anzuschauen und wirkte noch im letzten Drittel des Auftritts, als würde er gut riechen.
Nach dem guten Moment wurde es dann abrupt langweilig. Jeder Song folgte derselben Dramaturgie – am Anfang stand ein Elektrogewitter, das dann zum Rocksong verpuffte. Dann eine Ansage wie „Hello, Berlin“ und das Ganze von vorne. Keinem in der Band fiel eine neue Pose ein. Und von der Vielschichtigkeit der neuen Soulwax-Platte „Any Minute Now“ keine Spur. Das war schade, aber auszuhalten, denn das Konzert dauerte gerade mal eine Stunde.
Und man wartete ja auch noch auf die 2 Many DJs, die eine Aftershow versprochen hatten. Die eigentliche Aftershow lieferten dann aber wieder die Roadies. Auch diesmal wirkte ihr Auftritt wie ein sorgfältig choreografiertes Ballett – besonders als sie sich auf zwei Leitern reckten und streckten, um den schwarzweißen Bühnenhintergrund abzuhängen. Dazu lief ein eklektizistischer Musikmix. Van Halen kam ebenso darin vor wie etwas, das nach den Beach Boys klang und vielleicht auch die Beach Boys waren. Ein bisschen wie in der Schuldisco – wohl auch, weil man immer noch wartete, dass etwas passiert.
Hinterher stellte sich heraus, dass diese halbe Stunde der 2-Many-DJs-Auftritt war. Das erfuhr man aber erst auf dem Heimweg. Die Maria hatte sich schon ziemlich geleert, und draußen verteilte ein freundlicher Mann aus dem Soulwax-Auto heraus Merchandising. Eine mit der Band wie auch immer assoziierte Frau erzählte, dass die Jungs nach dem Konzert backstage ganz ungezwungen ein paar Platten aufgelegt hätten und jetzt gegangen seien – kein Wunder also, dass man den Auftritt des legendären Duos nicht als solchen erkannt und damit irgendwie auch verpasst hatte.
Die dem aktuellen Plattencover nachempfundenen Postkarten, die draußen in rauen Mengen verschenkt wurden, sind aber trotzdem schick – und sogar selbstklebend. Man könnte mit ihnen eine ganze Wand tapezieren und die eine oder andere optische Täuschung inszenieren.
STEPHANIE GRIMM